Der Körper als konstruierte Desinformation

■ Der Chicagoer Künstler Bradley Rubenstein zeigt im Künstlerhaus seine „Animals“ zwischen altmeisterlichen Rückblick und vorausblickender Biotechnologie

Treu betrachten die Haustiere ihre Betrachter. Freigestellt vor weißem Hintergrund wirken sie dabei – Tierfreunde mögen verzeihen – ein bißchen doof. Haben frühere Jahrhunderte in Pferd, Hund und Katze den Nutzen gesehen oder, romantischer, eine Reminiszenz wilder Kräfte für den Hausgebrauch, werden sie heute eher als überraschend lebendige Plüsch- und Kuscheltiere wahrgenommen. Wenn Kinder von Bären getötet werden, mit denen sie in der selbstverständlichen Annahme spielen wollten, sie seien niedliche Teddies, so ist dieses Drama aus dem Zoo des New Yorker Central Parks ein gutes Beispiel für disneymäßige Verformungen.

Der in New York lebende Künstler Bradley Rubenstein zeigt die Deformationen unseres Tierbilds in extremer Weise: in altmeisterlich historisierendem Rückgriff und Anwendung neuester elektronischer Bildprogramme zugleich. Seine Serie Animals zeigt Pferd, Hund und Katze fein gearbeitet im graphischen Bildstil des 19. Jahrhunderts, jedoch durchweg als Zweibeiner. Ist der aufrechte Gang ein Kriterium für Vernunft, diese Tiere haben es geschafft. Aber nur um den Preis gräßlicher Deformation, und die ist um so unangenehmer, je konventioneller sie daherkommt. Denn Bradley Rubenstein hat es nicht, wie seine Londoner Künstlerkollegen, nötig, Kühe real durchzusägen und in Formalin einzulegen. Ihm reicht es, die Möglichkeiten des Morphens am Computer in traditionelle Zeichnung zu übertragen. Und dabei gewinnt er mit dem Verzicht auf spielerisch schnelle Computerausdrucke gleich noch eine Metaebene hinzu.

“Körper als konstruierte Desinformation“ nennt der 35jährige, in Chicago geborene Künstler sein Arbeitsgebiet zwischen Rückblick auf manieristisch-groteske Figurinen und Ausblick auf aberwitzige Biotechnologie. Kinder mit Kaninchenaugen und Lassieblick oder nach der statistischen Verteilung der Bevölkerungsgruppen zu Durchschnittsgesichtern verschmolzene Schüler zeigte er letzten Herbst im Bergedorfer Künstlerhaus Möörkenweg im Rahmen eines Austausches mit Hamburgs Partnerstadt an den Großen Seen. Daß er jetzt wieder von einem Künstlerhaus eingeladen wurde, zeigt die Dikussionswürdigkeit einer kritisch-reflektierenden Kunst, die es dennoch für angemessen hält, eigentypische Produkte zu erstellen und sich nicht mit schnellen Zitaten zufriedengibt.

Hajo Schiff

Künstlerhaus Hamburg, Weidenallee 10b, Fr 18 – 20, Sa + So 14 – 18 Uhr, bis 30. August