Argentinisches Schicksal in Bremen

■ Straf-Anzeige gegen argentinische Militärs in der Hansestadt

Eine nicht alltägliche Anzeige wird dieser Tage die Bremer Staatsanwaltschaft beschäftigen. Der Rechtsreferendar Dirk Styma will Strafantrag gegen argentinische Militärs stellen. Sie sollen am 10. Mai 1976 in Buenos Aires den damals 36jährigen Guillermo Augusto Engel aus seiner Wohnung entführt haben. Seitdem fehlt von dem Mann, der 1988 von der Argentinischen Menschenrechtskommission offiziell als Opfer der Militärdiktatur anerkannt wurde, jede Spur. Styma war während seines Referendariats bei einer Anwältin in Buenos Aires auf das Schicksal von Engel gestoßen.

Daß sich die deutsche Justiz jetzt mit Engels Schicksal beschäftigen muß, liegt daran, daß er die doppelte Staatsbürgerschaft hatte. Der „deutsche Argentinier“ gehört zu den rund 20.000 Menschen, die während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 in Argentinien verschleppt wurden. Von den meisten Opfern fehlt bis heute jede Spur. Nach Aussagen von verläßlichen Zeugen haben die Militärs ganze Leichenberge in die Luft gesprengt oder verbrannt, um ihre Greueltaten zu vertuschen. Andere Opfer wurden aus Militärflugzeugen über dem Südatlantik ins Meer geworfen. Nachdem immer mehr Leichen an die argentinische und uruguayische Küste gespült wurden, gingen die Militärs dazu über, Gefangenen aneinanderzufesseln, mit einem Betonklotz zu beschweren.

Über die Frage, inwieweit deutsche Behörden argentinische Militärs verfolgen können, die Deutsche Staatsbürger verschleppt und getötet haben, gibt u.a. ein Gutachten des Max-Planck-Institus für Ausländisches und Internationales Strafrecht von März 1998 Auskunft. Einer Einstellung solcher Verfahren stünde „das öffentliche Interesse an der weltweiten Verfolgung der in Rede stehenden schweren Straftaten entgegen“, heißt es im Schlußwort des Gutachtens. Doch das ist eher eine politische Bewertung, denn eine juristisch durchsetzbare Forderung. Argentinien liefert die Generäle nicht aus. Eine Aburteilung der Militärs in Abwesenheit – wie in Frankreich geschehen – verbietet die deutsche Strafprozeßordnung.

Deshalb schätzt Jan Frischmuth, Chef der Bremer Staatsanwaltschaft, die Möglichkeiten einer Strafverfolgung als „eher gering“ ein. Seine Behörde muß zunächst prüfen, ob die Ermittlungen „theoretisch gesehen Aussicht auf Erfolg“ haben. „Wenn das Opfer an den Folgen der Folter gestorben ist, ist das, so zynisch das klingen mag, kein Mord, sondern Totschlag. Und Totschlag wäre verjährt. Es kommt deshalb sehr auf den Inhalt der Anzeige an“, sagt Frischmuth. Wenn die Ermittlungen nach Meinung der Staatsanwaltschaft keine Aussicht auf Erfolg haben, wird das Verfahren eingestellt.

Doch selbst wenn die Behörde davon ausgeht, daß die Ermittlungen Licht ins Dunkel von Engels Schicksal bringen könnten, wird die Anzeige an den Bundesgerichtshof weitergeleitet. Der BGH entscheidet, ob die Bremer Staatsanwaltschaft zuständig ist. Ein langer juristischer Weg, der Dirk Styma nicht entmutigen kann. Ihm geht es nicht nur um das Einzelschicksal Engels: „Diese Strafanzeigen sollen mittelfristig dazu führen, daß ein internationaler Gerichtshof eingerichtet wird. Oder daß die betroffenen EU-Länder gemeinsam auf eine Auslieferung der Täter dringen.“ kes