Grüße aus Budapest
: Der Hobby-Zugucker

■ Zehnkämpfer Frank Busemann reüssiert bei der EM als Fernsehkommentator

Als Zehnkämpfer Klaus Isekenmeier gestern mittag die Kugel auf 15.22m gewuchtet hatte, konnte man auf der Laufbahn in der Nähe des Rings einen Fernsehmenschen sehen, der sich mindestens genauso freute wie der Athlet selbst. Kein Wunder, es handelte sich um jemanden, der „genauso aufgeregt“ war, „als ob ich selber der Klaus wär'“. Er war aber der Frank. Nachname: Busemann. Eigentlicher Aufgabenbereich: Zehnkämpfer und populärster Leichtathlet Deutschlands. Tatsächlicher Aufgabenbereich: Fernsehexperte von der Qualität „Kaliber“, wie das die ARD intern nennt. Der neue Netzer? Mit dessen fachlichen Qualitäten, nur ungleich lustiger haute der neue Mann gestern in seinem westfälischen Idiom die Sprüche raus wie dereinst in Atlanta Bestleistungen.

Busemann (23) hat nämlich seinen Humor nicht verloren, auch wenn das Jahr für ihn alles andere als erfreulich gelaufen ist. Der Körper will nicht so wie er, insbesondere Hüfte und Rücken. Die EM-Qualifikation in Ratingen hatte er zwar (erfolgreich) zu Ende gebracht, doch bereits nach dem Speerwerfen war er zu Trainer Franz Josef Busemann geschlichen und hatte gesagt: „Vatter, das war's.“ Seither, sagt Busemann, fühle er sich besser. Der Druck ist weg, und damit er nicht so schnell zurückkommt, haben die beiden beschlossen, die Öffentlichkeit mit einem langfristigen Plan vertraut zu machen: „Ich habe Olympia in Sydney immer weit nach hinten geschoben“, sagt Busemann, „aber jetzt sehe ich es als Hauptziel.“

Die Firma Busemann hat nach der überraschenden Silbermedaille von Atlanta erfahren müssen, daß mehr und härteres Training nicht automatisch mehr Leistung bedeutet. Das Hauptproblem, sagt Busemann, sei: „Mein Körper ist falsch zusammengebaut.“ Zuletzt hat er am Chiemsee zwei Wochen in den Händen des Orthopäden Josef Schadhauser verbracht, dem Physiotherapeuten des deutschen Zehnkampfteams. Der, berichtet Busemann, habe „da rumgefummelt an der Hüfte“. Ergebnis: Das malade Körperteil ist „so beweglich wie seit sechs, sieben Jahren nicht mehr“. Womit auf den Recklinghausener Halbtags-Hauptschullehrer und wichtigsten Angestellten der Firma Busemann neben dem Trainer- und Manageramt nun ein weiterer Job zukommt: „Vatter“, hat der Sohn beschlossen, „wird jetzt mein erster kleiner Physiotherapeut.“

Die Zeit des permanenten Überwindens der Schmerz- und Kotzgrenze soll vorbei sein, Busemann will demnächst nicht mehr nach dem Qualitätskriterium „kaputt nach Hause fahren“ trainieren, sondern nach dem Kriterium „ohne körperliches Gebrechen und ohne Schwindel nach Hause fahren“. Die Zeit ist vorbei, in der er glaubte, wenn der Geist nur könne, werde der Körper schon folgen. „Im stillen Kämmerlein“ habe er sich selbst geschult in der Disziplin, „auf meinen Körper zu hören“. Nun sucht er einen Weg, dessen Grenzen zu überwinden, ohne ihm den nötigen Respekt zu verweigern.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Schritt zurück: Der Versuch, die Schwächen in den Wurfdisziplinen durch mehr Training zu verringern, wird eingestellt. Eine Viertelstunde in der Woche Kugel, eine Viertelstunde Diskus – „und fertig“. Ansonsten will er laufen, viel laufen, genauer: „einen neuen Laufstil finden“, der gesünder für Körper und Beine ist.

Man muß bedenken, daß Frank Busemann eine Banklehre abgeschlossen hat, Olympia-Silber und WM-Bronze gewonnen und doch erst 23 ist. Er macht nicht den Eindruck, als würde er sich durch ein schlechtes Jahr aus der Bahn werfen lassen. Sponsorenverträge laufen aus, und „ohne Leistung ist es schwer, eine Verhandlungsbasis zu haben“. Die, die ihm bleiben (adidas, Sparkasse, Kettler, Spinnrad), haben ihn nicht zum Start gedrängt. „Kein Wort, kein Seitenhieb“, sagt Busemann. Auch dort glaube man offenbar daran, „daß es nächstes Jahr weitergeht“.

So steht er also auch am heutigen zweiten Zehnkampftag im Nepstadion und guckt sich „das Ganze gerne aus der Ferne an, weil ich weiß, das es nicht vorbei ist“. Die Möglichkeit, durch die Medienarbeit doch auf eine Art dabeizusein, hat ihn „total begeistert“. Daß am Ende die Fernsehhilfskraft größeren Ruhm gewinnen könnte als die Teilnehmer, so etwas käme ihm nicht in den Sinn. „Ich bin doch bloß ein Hobby-Zugucker“, sagt Frank Busemann, „der seinen Senf dazugibt.“ pu