■ Sachsen-Anhalts CDU fährt im Fall Webel die Wulfert-Strategie
: Spiel mit dem Feuer

Seit die Staatsanwaltschaft gegen Manfred Wulfert wegen Auftragsmord ermittelt, gilt für Sachsen-Anhalts CDU Brandgefahr Stufe IV. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen zweiten CDU-Landespolitiker. Thomas Webel, Landtagsabgeordneter und Landrat, wird Beihilfe zum Betrug vorgeworfen. Pikant ist der Fall vor allem deshalb, weil Webel als potentieller Kandidat für ein CDU-Spitzenamt in Sachsen-Anhalt gehandelt wird. Die Parteispitze hat im „Fall Webel“ zwar Brandschutzmaßnahmen getroffen, diese gleichen aber denen im „Fall Wulfert“ und versagten dort schon einmal.

Erinnern wir uns: In einer ersten Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen ihren Schatzmeister hatte die CDU-Spitze erklärt, Wulfert habe immer einen zupackenden Eindruck gemacht. Politischer Handlungsbedarf bestehe nicht. Doch dieser Versuch konnte die Flammen nicht löschen: Die Vorwürfe gegen Wulfert wurden immer schwerwiegender. Schließlich mußte er von seinen Parteiämtern zurücktreten. Jetzt hat die CDU-Spitze einen neuen Löschversuch gestartet und Wulfert den Parteiaustritt nahegelegt. Selbst wenn der Kreisvorsitzende aus Wernigerode austreten sollte, bleibt der Brandgeruch.

Die Staatsanwaltschaft jedenfalls hat die Akte Wulfert geschlossen – und die Akte Webel geöffnet. Wieder hat die Parteispitze eine Erklärung abgegeben. Wieder verlautet, Webel habe zupackend und sichtbar erfolgreich gearbeitet. Wieder wird behauptet, politischer Handlungsbedarf bestehe nicht.

Immerhin ist möglich, daß sich die Vorwürfe als unzutreffend erweisen. Möglich auch, daß die Parteispitze diesmal mit ihrer Wir-stehen-zu-dir-Haltung richtig liegt. Was aber, wenn die Strategie wieder ihr Ziel verfehlt? Der CDU wäre dann das Großfeuer in Sachsen-Anhalt gewiß. Fakt ist, daß das Parteivolk unruhig wird. Fakt ist auch, daß sich etliche Spitzenpolitiker als Feuerwehrmänner versuchen. Eine heftige Personaldebatte ist entbrannt. Die Parteispitze muß sich Rücktrittsforderungen gefallen lassen – und schießt mit teils lächerlichen Argumenten zurück.

Hinter dem zum Teil skurrilen Sommertheater steht ursächlich die Angst, bei der Bundestagswahl ähnlich dramatisch abzurutschen wie einst die Brandenburger CDU. So weit dürften die Anhaltiner Parteikollegen davon nicht mehr entfernt sein: Nach so viel Wirbel wendet sich das Wahlvolk immer mehr von den Christdemokraten ab. Nick Reimer