Clinton verdrückt sich in den Urlaub

Einen Tag nach seiner TV-Beichte versucht der US-Präsident noch, sich der Unterstützung seiner engsten Berater zu versichern. Dann fliegt er in die Ferien. Doch der Skandal beschäftigt weiter die Öffentlichkeit  ■ Von Bernd Pickert

Berlin (taz) – So hatte der Präsident sich das nicht vorgestellt. Selbst viele der engen Vertrauten Bill Clintons mochten seiner Aufforderung, jetzt die Ermittlungen gegen ihn zu beenden und sich dem Tagesgeschäft zuzuwenden, nicht folgen. „Seine Rede hinterläßt in mir ein tiefes Gefühl der Trauer. Mein Vertrauen in seine Glaubwürdigkeit ist erschüttert“, sagte die demokratische Senatorin Dianne Feinstein aus California. Sie ist nicht die einzige.

Am Tag nach seiner Fernsehansprache bestieg der Präsident demonstrativ mit Frau Hillary und Tochter Chelsea einen Hubschrauber Richtung Urlaub auf der Insel Martha's Vineyard. Hillary hatte durch ihre Sprecherin Marsha Berry erklären lassen, sie stehe zu ihrer Ehe, glaube an den Präsidenten und liebe ihn sehr. Allerdings sei es „nicht gerade der beste Tag ihres Lebens“ gewesen.

Bill Clinton telefonierte sich unterdessen die Finger wund, um sich der Solidarität seiner Administration zu versichern. Die Anrufe bei führenden demokratischen Meinungsträgern aus Partei, Repräsentantenhaus und Senat, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Michael McCurry, hätten den Präsidenten stark ermutigt.

Allerdings stecken seine engen Berater in dem gleichen Dilemma wie Hillary Clinton: Haben sie die ganze Zeit über nichts gewußt, müssen sie sich pikiert zeigen – wenigstens, um das eigene Gesicht zu wahren. Waren sie jedoch über die präsidialen Oralverfehlungen jederzeit voll informiert, dann stimmt der Vorwurf des Sonderermittlers Kenneth Starr, der Präsident habe den ganzen Apparat benutzt, um Informationen zu vertuschen und Spuren zu verwischen.

Eben zu diesem Thema muß heute noch einmal die Namensgeberin der gesamten Affäre vor der Grand Jury aussagen: Monica Lewinsky. Vermutlich will die Geschworenenkammer noch Genaueres von ihr über die Rückforderung von Clintons Geschenken erfahren, während das Verfahren in Sachen Paula Jones lief.

Während seiner Aussage am Montag, vor seinem Fernsehauftritt, soll Clinton dazu ausführlich Stellung genommen haben. Das will die Washington Post aus Kreisen der Grand Jury erfahren haben. Lediglich allzu detaillierte Fragen zu den Sexualpraktiken habe Clinton nicht beantwortet. Dazu muß er sich nun aus aller Welt Kommentare anhören: „Was Clinton vor allem braucht, ist eine Psychoanalyse“, sagte gestern die französische Bestseller-Autorin Benoite Groult: „Liebe hinter einer Tür zu machen, ohne das Mädchen auszuziehen, ist eine ziemlich schäbige Art der Beziehung.“

Die skandalgewohnten Israelis hingegen läßt Clintons Sexualleben weitgehend kalt. 92 Prozent der Israelis würden dem US-Präsidenten verzeihen, fand das Frühstücksprogramm des zweiten Fernsehkanals heraus. Und auch die Jerusalem Post traf bei einer Blitzumfrage auf weitgehende Nachsicht. „Ich kann ihm verzeihen“, zitiert das Blatt eine sechzigjährige Frau. „Ich würde auch meinem Mann verzeihen. Wissen Sie: Es steckt in den Genen.“ Und ein aus Rußland eingewanderter Jude meint: „Er ist ein Mann. Er kann tun, was er will. Im russischen Parlament macht das jeder.“

Die ehemalige Ministerin der palästinensischen Regierung, Hanan Aschrawi, fürchtet dagegen, daß Clintons Affäre dem Nahost- Friedensprozeß endgültig den Todesstoß geben könne. Ein dermaßen blamierter US-Präsident könne schließlich keinen Druck auf Israel ausüben. Noch ein bißchen weiter denkt die Tehran Times: Die ganze Affäre sei eine „zionistische Rache“, eben weil Clinton in der Vergangenheit Druck auf Israel ausgeübt habe.