Sachsen-Anhalts CDU streitet sich kaputt

■ Mordauftrag, Finanzprobleme, Betrug – nach wochenlangen Negativberichten beginnt nun eine innerparteiliche Schlammschlacht: Kritiker sollen „erst mal ihre Parteibeiträge zahlen“

Berlin (taz) – Die Leute vom CDU-Infostand in Magdeburgs Innenstadt haben es schwer. „Die meisten Passanten wenden sich mit einem ,Ihr lügt doch alle‘ ab“, sagt Gerhard Häußler, CDU-Kreisgeschäftsführer der Landeshauptstadt. Zuerst der Fall Wulfert, jetzt die Sache mit Webel: Die CDU in Sachsen-Anhalt findet nicht mehr aus den Negativschlagzeilen heraus. Neuerdings kommen noch Personaldebatten, Dementis und Rücktrittsforderungen dazu. Zwar stellte die Staatsanwaltschaft am Montag das Verfahren gegen Wulfert ein. Die Ermittler sind allerdings weiterhin überzeugt, daß der Ex-Schatzmeister versucht hat, einen Gläubiger umbringen zu lassen. Der Einstellung des einen Verfahrens folgte die Eröffnung eines neuen: Diesmal steht der Landtagsabgeordnete und Landrat Thomas Webel im Verdacht, Beihilfe zum Betrug geleistet zu haben. Der Landesvorstand erklärte – ähnlich wie bei Wulfert –, Webel habe seit 1990 „eine mehr als engagierte und sichtbar erfolgreiche Arbeit geleistet“. Es bestehe kein Handlungsbedarf.

Derlei Erklärungen rufen immer mehr Kritiker der Parteiführung auf den Plan. Erhebliche Pannen im Krisenmanagement warf Roland Halang, Chef der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU, dem Landesvorsitzenden Karl-Heinz Daehre vor. „Ich wünsche mir auf der Position des Landesvorsitzenden ein neues Gesicht“, erklärte Marion Fischer, selbst Mitglied des Landesvorstandes. Einige der Landesfürsten seien schon zu DDR-Zeiten regimehörig gewesen, untermauerte der Bundestagsabgeordnete Frederick Schulze aus Sangerhausen seine Rücktrittsforderungen.

„Herr Schulze soll erst einmal seine Parteibeiträge bezahlen“, hallte es aus der Parteizentrale zurück. Fischer gingen solche Äußerungen zu weit. Sie drohte Schulze mit einer Strafanzeige wegen Verleumdung. Die Landtagsabgeordnete Christa Ludewig warf Schulze vor, die Probleme der Landespartei für seinen eigenen Wahlkampf auszunutzen: „Er hat keinen sicheren Listenplatz, versucht sich durch Schlagzeilen zu profilieren.“

Sowohl CDU-Fraktionschef Christoph Bergner als auch Landeschef Daehre wiesen die Rücktrittsforderungen zurück. Allerdings sei die Affäre Wulfert noch nicht ausgestanden, erklärte Bergner. Nach der Vorstandssitzung am Dienstag war Wulfert indirekt zum Parteiaustritt aufgefordert worden. „Ein fortbestehender, nicht ausgeräumter Tatverdacht wäre mit dem Fortbestand einer Mitgliedschaft in der CDU nicht vereinbar“, heißt es in einer Erklärung. Obwohl die Staatsanwaltschaft genau an diesen Fortbestand glaubt, will Wulfert nicht freiwillig austreten. „Die Ermittlungsbehörde hat das Verfahren eingestellt, ohne mich noch einmal anzuhören“, sagte Wulfert der taz. Dagegen will er juristisch vorgehen.

Daß ein Parteiausschluß oder ein Austritt Wulferts an der Stimmungslage etwas ändert, wird hingegen bezweifelt. Christa Ludewig: „Das Kind ist in den Brunnen gefallen, da ist nichts mehr zu retten.“ Derweil geht Daehre in die programmatische Offensive. Im Deutschlandfunk erklärte er, man müsse „Mitte-Rechts stärker berücksichtigen“. Nick Reimer

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