Schröder verteidigt seinen Stollmann

Beim gemeinsamen Auftritt muß der SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder Interpretationshilfen für die Rede seines Wirtschaftsministers in spe, Jost Stollmann, liefern. Was kannst du für unser Land tun?  ■ Aus Berlin Markus Franz

Gerhard Schröder hat es gespürt. Obwohl das Publikum nicht erkennbar übellaunig reagierte, sondern nur einzelne Zuhörer ab und zu kaum vernehmbar ausatmeten und mit ihren Augen rollten. Sobald Jost Stollmann, der designierte Wirtschaftsminister einer SPD-Regierung, seine Rede beendet hatte, nahm Schröder das Wort – und verteidigte Stollmann, verteidigte, verteidigte...

Rund 300 Journalisten waren in Berlin zu der SPD-Veranstaltung „Engagement für die Zukunft – Erfolg für das Land“ mit Gerhard Schröder und Jost Stollmann zusammengekommen. Vor allem ein Thema bewegte die Gemüter: Soll er zurücktreten oder nicht? Bill Clinton natürlich.

Und da ist es dann, das scheue Reh, Jost Stollmann, das seit der Berufung in Schröders Wahlkampfteam so viel auf Reisen war, kaum Interviews gab und nach eigener Aussage ja auch gar nicht in den Wahlkampf eingreifen will. Böse Zungen sagen, um der SPD nicht zu schaden. Rot färbt sich sein Gesicht, als er aus dem Pulk der Kameras und Mikrofone auftaucht. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, sagt das ehemalige CDU-Mitglied seinen sozialdemokratischen Zuhörern: „Ich freue mich sehr, daß ich heute hier sein kann. Schließlich bin ich einer der Ihren.“ Er verspricht, „dem Land zu dienen“, schließlich habe Kennedy schon gesagt: Frage mich nicht, was das Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst. „Schröder hat mich beim Wort genommen.“ War Stollmann damals etwa Kennedys Ghostwriter?

Den Titel der Veranstaltung „Engagement für die Zukunft – Erfolg für das Land“ bezieht Stollmann zunächst auf sich selbst. „Was wir brauchen“, sagt er, „sind unverbrauchte Köpfe, Quereinsteiger mit neuen Ideen.“ Leute wie ihn also.

„Zeiten des Umbruchs sind Unternehmerzeiten“, fährt er fort. Und wenn schon Politiker nötig sind, so scheint Stollmann zu meinen, dann sollten sie Unternehmer sein oder wenigstens unternehmerisch denken. Es tun Politiker not, die denken und fühlen können, sagt er und zeigt auf seinen Kopf und sein Herz. Politiker, die das „angststarrende Beharren auf überkommenen Strukturen in der Krise“ überwinden.

Sozialdemokraten brauchen sich dabei natürlich nicht besonders angesprochen fühlen. Die Zugehörigkeit zu Parteien scheint für Stollmann ohnehin keine große Rolle zu spielen. „Nicht, zu welcher Partei du gehörst“ sei entscheidend, sondern: „Was kannst du für unser Land tun!“ Für Stollmann ist nicht „linke oder rechte Politik“ bedeutsam. „Es wird einen neuen, eigenen deutschen Weg“ in der Politik geben müssen. Einen „dritten, pragmatischen Weg“.

Schröder weiß, wie er diesen dritten Weg im sozialdemokratischen Sinne interpretieren muß. Was Stollmann auf den Punkt gebracht habe, sagt Schröder, sei, „Innovation und soziale Gerechtigkeit zusammenzubringen“. Da sind sie wieder, die zwei Lieblingswörter der Sozialdemokraten in diesem Wahlkampf: Innovation und Gerechtigkeit. Damit die Zuhörer den „für Sozialdemokraten vielleicht schwierig zu verarbeitenden Ansatz“ von Stollmann verstehen, so Schröder, legt er mit einem Beispiel nach. So sehe er etwa keinen Widerspruch zwischen den Äußerungen von Stollmann und der im SPD-Wahlprogramm geforderten Rücknahme der Reform bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Stollmanns ganzer Vortrag habe sich mit der Motivation zur Arbeit beschäftigt. Motivation laufe aber nicht mit Druck, sondern mit Begeisterungsfähigkeit. Ergo, so Schröder, sei Stollmann sicherlich auch gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

„Also mich“, sagt Schröder, „hat der Vortrag von Stollmann überzeugt.“ Und so nimmt er Stollmann auch nicht übel, daß er schon einen Tag zu früh verrät, daß die SPD im Regierungsfalle die Ministerien Wirtschaft sowie Forschung und Technologie zusammenführen will.

Bei einem Punkt hilft Schröder allerdings alle Interpretationskunst nichts. Als Stollmann den Kombilohn anspricht und ihn als „höchste ordnungspolitische Sünde“ bezeichnet, obwohl sich Schröder bekanntermaßen für den Kombilohn einsetzt. Da entgleisen dem Kanzlerkandidaten der SPD kurzzeitig die Gesichtszüge.