Kanther will enge Kooperation

Bundesinnenminister Manfred Kanther will Polen zur Zusammenarbeit an der deutschen Ostgrenze bewegen. An einem Rechtsabkommen wird gebastelt  ■ Von Severin Weiland

Berlin (taz) – Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) war höflich, aber deutlich. Im Falle einer Aufnahme in die Europäische Union habe Polen wegen seiner langen Landesgrenze gegenüber den östlichen Nachbarn „eine gewaltige, teure und schwer zu erfüllende Aufgabe“, sagte er gestern in Warschau.

Kanthers zweitägiger Aufenthalt in Polen dient aber nicht nur der Inspektion der polnischen Ostgrenze, die heute mit einem Besuch an einem Grenzübergang zur Ukraine beendet wird. Denn bevor die Polen in die Europäische Union kommen, soll das Ziel, die deutsch-polnische Grenze gemeinsam zu sichern, vorangetrieben werden. Noch wird an ergänzendem Punkten zu einem im April vergangenen Jahres abgeschlossenen, aber nicht unterschriebenen grenzpolizeilichen Rechtsabkommen gearbeitet. Ein Punkt aus diesem Abkommen, das keiner Ratifizierung durch die Parlamente bedarf, wird bereits im gegenseitigen Einvernehmen in der Praxis erprobt. Seit einigen Wochen patrouillieren Beamte des Bundesgrenzschutzes mit ihren polnischen Kollegen auf polnischem Gebiet – und umgekehrt. Die deutschen Grenzer sind bei ihren Streifengängen in Polen unbewaffnet – ebenso ihre polnischen Kollegen während ihres Dienstes auf deutscher Seite. Ein Umstand, der von der Gewerkschaft der Polizei kritisiert wird, weil ihrer Ansicht nach dafür die Rechtsgrundlage fehlt (siehe Interview unten).

Die Wunschliste für das Ergänzungsabkommen, das die deutsche Seite sobald wie möglich abschließen will, ist lang: Neben gemeinsamen Streifendiensten soll es unter anderem künftig gemeinsame Ermittlungs- und Kotrollgruppen, Einsatzleitungen und Dienststellen geben, daneben werden auch Verbindungsbeamte und Hospitanten ausgetauscht. Schon heute ist die Grenze zwischen Polen und der Bundesrepublik diejenige mit der höchsten Polizeidichte. Statistisch hat sich das in den Augen des Bundesinnenministeriums schon heute ausgezahlt: 1997 wurden 6.899 unerlaubte Einreisen weniger verzeichnet – ein Minus von 22 Prozent gegenüber 1996. Die Tendenz hält an: Im ersten Halbjahr 1998 gingen die illegalen Einreisen schon um 37 Prozent zurück.

Daß Polen bald seine Unterschrift unter das Rechtsabkommen leistet, ist angesichts der Erfahrungen der deutschen Seite mit ihren westlichen Partnerländern fraglich. Zwar gibt es im Rahmen des Schengener Abkommens, das die Außengrenzen der EU abschottet und die Binnenkontrollen aufhob, gemeinsame Dienststellen mit Frankreich. Eingriffe deutscher Polzisten wurden dort aber erst nach längerem Zögern zugelassen. Mittlerweile dürfen deutsche Polizeibeamte Verdächtige – in engem rechtlichem Rahmen – bis nach Frankreich hinein verfolgen.

Ob Polen den deutschen Wünschen entgegenkommt, bleibt abzuwarten. Mit dem EU-Aspiraten Tschechien ist man noch nicht einmal halb soweit. Dort sondiert man die Standpunkte – in einem Briefwechsel.