Die US-Regierung arrangiert sich mit Saddam Hussein

■ In Washington zeichnet sich eine neue Irak-Politik ab: Appeasement statt Konfrontation

Washington (taz) – US-Präsident Clinton sei nicht der einzige, der den AmerikanerInnen eine Erklärung schuldig ist, schrieb die Washington Times just an dem Tag, an dem die Nation auf Clintons Ansprache zum Thema Monica Lewinsky wartete. Auch Außenministerin Madeleine Albright müsse zu einem kompromittierenden Bericht Stellung nehmen. Seit Monaten sollen die UN-Waffeninspekteure im Irak nicht nur von dessen Staatsführung behindert worden sein, sondern auch von den USA. Sollten sich diese Berichte bewahrheiten, würden sie eine Krise von solcher Tragweite heraufbeschwören, daß Clinton sich nach dem Lewinsky-Skandal zurücksehnen würde, schrieb dazu John Bolton, ehemaliger Vize-Außenminister unter George Bush, im Weekley Standard.

Vor einer Woche hatten Washington Post und London Times berichtet, das US-Außenministerium habe seit Mitte Juli wiederholt bei Richard Butler, dem Leiter der UN-Sonderkommission zur Abrüstung Iraks (Unscom), interveniert, um ihn von unangemeldeten Besuchen bei irakischen Einrichtungen abzuhalten. Eine Konfrontation mit dem Irak sei zur Zeit für die USA nicht opportun, lautete die Begründung.

Zuletzt hatte Madeleine Albright sich am 4. und am 6. August mit Butler in Verbindung gesetzt. Der reiste eigens aus Bagdad ab, um sie über einer abhörsichere Leitung aus der US-Botschaft in Bahrain zurückzurufen. In Bagdad standen Inspekteure bereit, um ein Objekt aufzusuchen, in dem nach Ermittlungen der Unscom mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit B- und C-Waffen hergestellt werden. Obwohl die Unscom keine Weisungen von einzelnen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats entgegennimmt, blies Butler die Razzia ab.

Sie habe keine Konfrontation wegen einzelner Objekte gewünscht wie im Januar wegen der Präsidentenpaläste Saddam Husseins, rechtfertigte sich Albright in der New York Times und versicherte, wenn nötig würden die USA auch gewaltsam gegen Irak vorgehen, „aber nach amerikanischem und nicht nach irakischem Zeitplan“. Kommentatoren werteten dies als klaren Rückzug der Regierung von ihrer bisherigen Irak- Politik.

„Sollte Saddam Hussein versuchen, sich wieder Massenvernichtungswaffen zuzulegen oder die Region zu destabilisieren, behalten wir uns jede Option, auch die militärische, vor“, erklärte Verteidigungsminister William Cohen. „Das klingt ganz so, als habe Saddam Hussein zur Zeit keine Massenvernichtungswaffen“, mokiert sich Fred Hiatt in der Washington Post Es klinge so, als stelle „der Irak heute keine Bedrohung für die Stabilität der Region dar“.

Noch vor sechs Monaten war es wegen des Streits um die Inspektion von Saddam Husseins Präsidentenpalästen beinahe zum Krieg gekommen. Heute deutet sich dagegen eine grundlegende Änderung der US-amerikanischen Irak- Politik an. Appeasement statt Konfrontion scheint die neue Devise zu heißen.

Iraks Staatsführung setzt dabei weiter auf Konfrontation. Am Mittwoch schickte Unscom-Chef Butler einen ausgesprochen höflich formulierten Brief nach Bagdad und forderte die Wiederaufnahme der am 5. August von der irakischen Staatsführung abgebrochenen Zusammenarbeit. Die Antwort kam prompt: Die Entscheidung der irakischen Führung sei unerschütterlich, erklärte gestern Vizepremier Tarik Asis. Peter Tautfest