Schwarze Jahre für den Umweltschutz

Seit Beginn der staatlichen Umweltpolitik habe eine Bundesregierung noch nie so wenig für den Umweltschutz getan wie unter Kohl und Merkel – so lautet die vernichtende Bilanz des Naturschutzbundes  ■ Aus Bonn Cornelia Fuchs

Dies war die schwärzeste Legislaturperiode für den Naturschutz, so lautet die Bilanz des Naturschutzbundes (Nabu), die deren Präsident, Jochen Flasbarth, gestern in Bonn zog. Seit Beginn der staatlichen Umweltpolitik in den siebziger Jahren habe noch keine Regierung so wenig erreicht.

„Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag wenig versprochen, davon nichts gehalten“, sagte Flasbarth. „Aber alles umgesetzt, was sie angedroht hat.“ Bundeskanzler Helmut Kohl habe vom Ozonsmog bis zur Atompolitik konsequent Standards abgebaut und Rechte eingeschränkt. Dabei sei der Umweltschutz immer mehr als eigenes Politikfeld aufgegeben und als Variable der Wirtschaftspolitik angesehen worden.

Als typisch für die umweltpolitische Haltung der Bundesregierung nannte Flasbarth die Privatisierung ostdeutscher Wälder in Nationalparks. Bereits im vergangenen Winter verkaufte die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) als Nachfolgerin der Treuhandanstalt über 1.700 Hektar Forst im Müritz-Nationalpark. „Nach der Vereinigung sahen wir es als glückliche Fügung“, sagte Nabu-Naturschutzreferent Christoph Heinrich, „daß die meisten Flächen der neuen Nationalparks im Osten in staatlicher Hand lagen.“

Zwar unterstehen auch die verkauften Naturschutzgebiete weiterhin Umweltauflagen. Doch nützt das nach Erfahrungen der Umweltschützer zumeist wenig: Die Neueigentümer entfernen häufig Altbäume, entwässern und legen Wege an. Heinrich sagt: „Die oberen Landesbehörden kommen gar nicht mehr aus dem Konfliktmanagement raus.“

Noch im April habe Bundeskanzler Helmut Kohl den Naturschützern persönlich die feste Zusage gegeben, daß der Verkauf von Schutzgebieten in den neuen Bundesländern gestoppt würde, erklärte der Nabu. Doch es werde weiter verkauft. Im Moment beispielsweise steht der Forst Redernswalde im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, Brandenburg, zum Verkauf. Hier brüten mit Fisch-, Schrei- und Seeadler alle drei Adlerarten Norddeutschlands, es gibt Altbuchenwälder und Moorenseen. Sie machten den Forst zum „Herzstück der Schorfheide“, sagt Heinrich. Als aussichtsreichster Interessent gilt zur Zeit Graf Öttungen-Spielberg, nach Heinrichs Information „einer der naturfeindlichsten Waldbesitzer, der vor allem Kahlschläge als sinnvolle Waldwirtschaft rechtfertigt“. Besonders absurd werde der Verkauf, wenn der Bund trotzdem weiterhin Flächen für den Naturschutz aufkaufe – nach Information der Naturschützer oft in unmittelbarer Nachbarschaft zu den gerade veräußerten Flächen. Heinrich sagt: „Mit dem Verkauf der Naturschutzflächen schwindet die Hoffnung auf blühende Landschaft im Naturschutz.“

Durch die Politik der Bundesregierung blamiert sich Deutschland nach Ansicht des Nabu auch im internationalen Maßstab immer häufiger „als Sitzenbleiberin“. In der Atompolitik sei man keinen Schritt vorangekommen, im Verkehr seien alle Weichen gegen die Umwelt gestellt, die Verminderung des Ausstoßes von Kohlendioxid sei mit derzeitiger Politik unerreichbar und die Novelle des Naturschutzgesetzes sei der schlimmste Rückschlag für umweltbewußte Landwirtschaft im Nachkriegsdeutschland. In einer Erklärung wies das Bundesumweltministerium die Kritik pauschal als „plumpe Polemik“ zurück.

Gibt es denn wirklich gar nichts Positives aus Sicht der Naturschützer? „Doch, der Kanzler vertritt auf internationalen Treffen noch am ehesten umweltpolitische Themen – und Umweltministerin Angela Merkel nennt die Dinge wenigstens beim Namen“, sagt Nabu- Präsident Flasbarth.

Noch schlimmer könne die Umweltpolitik lediglich unter einer großen Koalition werden: „Dann wären die wenigen Umweltschützer in den beiden großen Volksparteien gnadenlos in der Minderheit.“ Und der Umweltschutz endgültig abgemeldet.