■ Deutsches Referenzzentrum für Bioethik in Bonn
: Bioethik ohne parlamentarisches Plazet

Am Bonner „Institut für Wissenschaft und Ethik“ entsteht ab September das „Deutsche Referenzzentrum für Bioethik“. Einen Parlamentsbeschluß, der Bedarf, Sinn und Zweck einer solchen Einrichtung begründet, gibt es allerdings nicht. Trotzdem stellt Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) bis zum Jahr 2003 insgesamt fünf Millionen Mark aus Steuergeldern für den Aufbau des neuen Zentrums zur Verfügung; die Anschlußfinanzierung hat die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zugesichert.

Laut Förderrichtlinien soll das Referenzzentrum Informationen, Dokumente und Literatur zur Bioethik aus dem In- und Ausland sammeln und die Präsenz deutscher EthikerInnen auf internationaler Ebene verbessern. Alle Materialien sollen online in Bonn abrufbar sein. Zugang zur Datenbank sollen nicht nur WissenschaftlerInnen bekommen, sondern auch PolitikerInnen, Medien und – wie es in der Ausschreibung heißt – „Nutzer aller anderen gesellschaftlichen Gruppen“. Zudem müssen die etwa zehn MitarbeiterInnen des Referenzzentrums fleißig im Bereich Bioethik forschen – das Geld für ihre Projekte müssen sie zusätzlich aus öffentlichen und privaten Töpfen einwerben.

Leiter der neuen Einrichtung ist der Philosoph Ludger Honnefelder. Daß er und sein Ethikinstitut von der Gutachterkommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die neue Aufgabe auserwählt wurden, erklären DFG und Rüttgers damit, daß die in Bonn ansässigen Bioethiker unter fünf eingereichten Bewerbungen „die beste Qualifikation“ aufweisen.

Tatsächlich ist Honnefelder ein vielbeschäftigter und einflußreicher Mann: Er hat die umstrittene Bioethik-Konvention des Europarates im Auftrag der Bundesregierung mitformuliert und ist Vorsitzender des Ethik-Beirates beim Bundesgesundheitsministerium; er ist Mitglied der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen zur Gentechnik und sitzt im Beirat der „Landesinitiative BioGenTec“, die die NRW-Regierung zur Förderung der Gentechnik ins Leben gerufen hat. Auf europäischer Ebene berät Honnefelder die European Science Foundation in Fragen der Bioethik und entscheidet als Gutachter, welche Forschungsprojekte im Rahmen des BIOMED-Programms der EU-Kommission gefördert werden. Mit BIOMED- Geldern veranstaltete Honnefelder 1995 auch ein internationales Symposium zum Für und Wider des Nahrungsentzugs bei WachkomapatientInnen; im selben Jahr fragte sein Institut 1.200 deutsche ÄrztInnen per Fragebogen, ob und unter welchen Bedingungen sie bereit wären, KomapatientInnen verhungern zu lassen. Die Ergebnisse der Studie wurden bisher nicht veröffentlicht.

Gegen das Klonen von Menschen haben sich Honnefelder und andere Experten im April 1997 mit einer Stellungnahme für den „Rat für Forschung, Technologie und Innovation“ ausgesprochen, den Bundeskanzler Helmut Kohl einberufen hatte. Doch Honnefelder hat bereits vieles gerechtfertigt, was hierzulande immer noch umstritten ist, zum Beispiel: das Hirntod- Konzept; den Einsatz von Gentests an Erwachsenen und Föten; den tödlichen Abbruch medizinischer Behandlung bei Komapatienten, sofern Dritte von einer „mutmaßlichen Einwilligung“ des Betroffenen ausgehen. Auch fremdnützige Medizinexperimente mit Nichteinwilligungsfähigen billigt der Bonner Ethiker, wenn der forschende Arzt bestimmte juristische Vorgaben einhält.

Angesichts der beeindruckenden politischen Präsenz und dem bisherigen Wirken des Philosophen Honnefelder kritisieren einige Politiker seinen neuerlichen Machtzuwachs, den die Regierungen in Bonn und Düsseldorf freilich gefördert und die Parlamente bisher stillschweigend geduldet haben. „Es ist eine Frage der politischen Hygiene“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Robert Antretter, „daß, wo immer Macht und Einfluß gegeben ist, auf eine Teilung der Gewalten und der Kompetenzen hingewirkt wird.“ Und der CDU-Politiker Hubert Hüppe hält Honnefelder für „parteiisch“; dieser Ethiker stehe nicht für eine ergebnisoffene Diskussion über biomedizinische Techniken. Solche Kritik findet Hüppes Parteifreund Rüttgers ungerecht: Mit Honnefelder, ließ der Forschungsminister verlauten, sei er sehr zufrieden, der in der bioethischen Fachwelt anerkannte Philosoph aus Bonn leiste „gute Arbeit“. Klaus-Peter Görlitzer