Im Kreis der Lieben

Dessousparty bei Karin, die uns versprochen hat, daß nicht nur geschmacklose Unterhosen zu erwarten sind, sondern auch jede Menge Schweinkram. Jacqueline, die „Beraterin“, erscheint mit einem riesigen und mit einem normal großen Koffer, mustert etwas unsicher das großbürgerliche Ambiente von Karins Wohnung und stellt zu unserer Enttäuschung den kleineren Koffer erst mal beiseite.

Die roten, schwarzen und sogar weißen Négligés sind schnell durchgesehen, auch die durchaus nicht geschmacklosen Slips – sie sind eßbar und weisen Geschmacksrichtungen von Schokolade bis Kiwi auf – werden beiseite gelegt. Eine erwartungsvolle Stille tritt ein, die Jacqueline offensichtlich nicht richtig zu deuten weiß.

Britta springt in die Bresche und erzählt eine, wie ich weiß, zusammengelogene Geschichte darüber, wie sie neulich bei ihrer Mutter (ihre Mutter ist seit fünfzehn Jahren tot) im Gästebett lag. Mutter brachte ihr spätabends – Überraschung! Überraschung! – noch eine schöne heiße Tasse Kakao, und Karin hatte angeblich große Schwierigkeiten, die Herkunft der Geräusche unter ihrer Bettdecke zu erklären. Sie hatte das Knöpfchen zum Ausmachen nicht gefunden.

Na also! – Es hat gewirkt! Der Wunderkoffer wird geöffnet. „Moment noch mal!“ Karin saust in die Küche, um die Flaschen für die zweite Schüttung Sekt zu besorgen, „damit wir das besser verkraften!“ Zunächst gibt es aber nur mehrere Kugeln zu sehen, jeweils zwei miteinander verbunden, davon einige rosa und hellblau umpuschelt. „Zum Fahrrad fahren“, erläutert Jacqueline, „die werden gerne zum Fahrrad fahren genommen.“ Das gibt zu denken. Da ist man also jahrelang Fahrrad gefahren, und nie ist man auf die Idee gekommen, daß man dabei auch noch das Angenehme mit dem Nützlichen hätte verbinden können. Sie wühlt weiter im Koffer und holt nun das heraus, was wir eigentlich erwartet haben.

Die Prachtstücke stehen jetzt aufgereiht auf dem Kaminsims. Du liebe Güte! Falls die Evolution so was in früheren Zeiten mal zustande gebracht haben sollte, dann ist verständlich, daß die Träger dieser Apparate ausgestorben sind wegen permanenten Auf-die-Fresse-Fallens.

Karin verschwindet wieder in der Küche, um Nachschub zu holen. Jacqueline beginnt derweil mit einer technischen Produktbeschreibung, die ein Waschmaschinenverkäufer auch so ähnlich hingekriegt hätte. Digital, hören wir, Solarzellen, glaube ich zu verstehen, Superbatterien... Karin bringt die dritte Schüttung, die vierte... Dann verblaßt der Gedanke an den Liebsten zu Hause, an dessen Grundausstattung es bisher nichts zu mäkeln gab, aber jetzt doch irgendwie oder was ... und der einen übrigens im Kino wähnt. Der Rest des Abends bleibt im ungewissen, und ebenso ungewiß bleibt die Hoffnung, daß man Jacquelines Angebot einer „Probefahrt“ ganz bestimmt ausgeschlagen hat. Fanny Müller