"Wir wollen Kreuzberg zurück"

■ Die rechtsextremistischen "Republikaner" treten zur Bundestagswahl wieder mit "Arbeit für Deutsche"-Parolen an. Der Verfassungsschutz registriert "zahlreiche Übertritte" zur DVU

In dem nüchternen 50er-Jahre- Saal, in dem sonst die Tempelhofer Bezirksverordnetenversammlung tagt, hatte sich am Donnerstag abend zum Wahlkampfauftakt der rechtsextremistischen „Republikaner“ eine kleinbürgerliche und proletarische Schar aus Rentnern, älteren Arbeitern und zwei Dutzend jüngeren Leuten versammelt. Wenige Frauen waren darunter. Ein glatzköpfiger Ordner sicherte den Eingang, und auch die Polizei war mit vier Einsatzfahrzeugen angerückt, nachdem die Veranstaltung am Vortag in der autonomen Hochburg Mehringhof bekanntgeworden war.

Doch von Störern war weit und breit nichts zu sehen. Der Verfassungsschutz, der die „Republikaner“ seit Dezember 1992 beobachtet, hat der Partei in den letzten Jahren „keine besondere Bedeutung beigemessen“. Sie gelten als „in sich geschlossen und nicht sehr aktiv“. Im Wahlkampf tritt die Partei mit den gleichen Parolen an wie bei der letzten Bundestagswahl: „Deutsche Interessen zuerst“, „Arbeit für Deutsche“ und „Kriminelle Ausländer raus“. Eine Antihaltung zu Europa und dem Euro, Ausländerfeindlichkeit und ein indirektes Infragestellen der Oder-Neiße-Grenze sind die Kernpunkte des Programms. Der Osten der Republik heißt stets „Mitteldeutschland“, die Grünen heißen „Ökofaschisten“.

Als Hauptredner hatte man den Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer aufgeboten, einen 43jährigen Arzt und Rechtsanwalt, der sich stets seriös gibt, aber markige Sprüche klopfte. Der Fraktionschef der Reps im baden-württembergischen Landtag forderte den türkischen Ministerpräsidenten Yilmaz auf: „Geben Sie uns Deutschen Kreuzberg zurück!“ Es handle sich „offenbar um einen Stadtteil, in dem wir Deutsche nichts mehr zu suchen haben“. Daß in Baden-Württemberg eine muslimische Lehrerin vom Schuldienst ausgeschlossen wurde, weil sie im Unterricht ein Kopftuch tragen wollte, feierte Schlierer: „Intoleranter muslimischer Fundamentalismus hat bei uns im Staatsdienst nichts zu suchen.“ Gerade mal 1,9 Prozent erzielte die Partei bei der letzten Bundestagswahl. Zu den Wählern der „Republikaner“ zählen vor allem Modernisierungsverlierer und Arbeitslose. Da sich das rechte Wählerpotential auf Reps, NPD und DVU sowie auf Splittergruppen aufteilen wird, dürfte keine Partei die Fünfprozenthürde nehmen. Aufwind erhoffen sich die „Republikaner“ von der bayerischen Landtagswahl am 13. September. In Bayern erzielten sie zuletzt 3,9 Prozent.

Parteichef Schlierer grenzt sich dezidiert von NPD und DVU ab, doch ist sein Kurs parteiintern nicht unumstritten. „Zahlreiche Übertritte“ von „Republikanern“ zur DVU hat der Verfassungsschutz in Berlin festgestellt. 30 Austritte hat Landesgeschäftsführer Reinhard Haese im letzten Jahr registiert. Zwei hätten erklärt, zur NPD zu wechseln, weil ihnen die „Republikaner“ „zuwenig aggressiv“ seien. Übertritte zur DVU seien ihm nicht bekannt. 850 Mitglieder hat der Landesverband, davon etwa 350 im Ostteil der Stadt. Gegenüber 1996 ist zwar ein Zuwachs von 50 Mitgliedern zu verzeichnen, doch Ende 1993 waren es noch 1.300 gewesen. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht heißt es, der Landesverband befinde sich „in einem desolaten Zustand“.

Die Landesliste für die Bundestagswahl führt der ehemalige Landesgeschäftsführer Sven Frank an. Der 56jährige Journalist hält Minderheitsanteile an der rechten Postille Junge Freiheit. Auf dem zweiten Platz kandidiert Ingeborg Seifert, die von 1989 bis 1991 Stadträtin in Reinickendorf war. Die 56jährige war die einzige von insgesamt vier Rep-StadträtInnen, die damals nicht vorzeitig abgewählt wurde – CDU und FDP trugen den Abwahlantrag nicht mit. Jürgen Brey, Frührentner aus Köpenick, belegt Platz drei, gefolgt von dem 29jährigen Thomas Kay. Der jungdynamische Angestellte rühmt sich, auch schon mal einen Artikel für die Junge Freiheit verfaßt zu haben. Dorothee Winden