Blinde Flecken in Schröders Kabinett

Der SPD-Kanzlerkandidat konzentriert sich auf die Megathemen Arbeit und Wirtschaft. Der politische Rest versinkt in zarten Nebelwölkchen, darunter auch die Verkehrspolitik. Wer wird SPD-Verkehrsminister?  ■ Von Manfred Kriener

Berlin (taz) – In der SPD wächst das Unbehagen über die inhaltliche und personelle Leere des Schröder-Wahlkampfes. Jüngstes Beispiel: Verkehrspolitik. Der Verkehr gehört neben Umwelt, Agrar, Gesundheit, Familie, Bau und Entwicklungshilfe zu den ungeklärten und im Schattenkabinett unbesetzten Ressorts. Auch im Wahlprogramm wird er ausgeklammert. Während sich Gerhard Schröder auf die Megathemen Arbeit und Wirtschaft konzentriert und als bunt schillerndes Accessoire die Kulturpolitik hochhält,

wird der große Rest zur Spielmasse.

„Wir haben noch keine Festlegungen getroffen“, erklärt das Schröder-Büro – und die Spekulationen blühen. Die SPD-Linke befürchtet, daß – schlimmstenfalls – der vorgesehene Wirtschaftsminister Jost Stollmann das Verkehrsressort bekommt. Stollmann ist wie Schröder Befürworter des Transrapid und unterstützt den Rallyestreifen-Kurs des SPD-Spitzenmannes.

Die beiden „natürlichen“ Kandidaten für das Verkehrsressort sind ausgebremst worden. Elke Ferner, die eher „grüne“ verkehrspolitische Sprecherin, wurde von der SPD abserviert. Ihre Rückkehr in den Bundestag ist so gut wie ausgeschlossen. Klaus Daubertshäuser, der langjährige angesehene Verkehrsexperte der Partei, stößt beim Automann Schröder auf wenig Sympathie. Dasselbe gilt für den Leiter des Wuppertal Instituts, Ernst-Ulrich von Weizsäcker, der sich ebenfalls ins Gespräch brachte und immerhin eine Audienz bei Schröder bekam. Weizsäcker, der in den neuen Bundestag einziehen wird, droht im schlimmsten Fall eine Existenz als Hinterbänkler.

Neben Weizsäcker werden noch der Kasseler Verkehrsprofessor Helmut Holzapfel und die Berliner Städtebauspezialistin Franziska Eichstädt-Bohlig als Kandidaten gehandelt, falls Rot-Grün regiert.

Für „Innovation“ und „Modernität“, die Lieblingsvokabeln Schröders, ist in seiner Mannschaft noch Edelgard Bulmahn zuständig, die als Frau für das Ressort Forschung und Technologie galt. Auf dem SPD-Unternehmerforum in Berlin hat Schröder diese Woche aber angekündigt, daß Stollmanns Superministerium diesen Bereich mitverwalten soll. Damit käme auch Bulmahn für den Verkehr in Frage. In der neuen Ausgabe der SPD-Zeitung Wissenschaftsnotizen beklagt sie schon mal, daß allein in Nordrhein-Westfalen „mehr Autos fahren als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent“. Ob das bei Schröder gut ankommt? „Von Demokratie wagen zum Volkswagen“, spottet die Parteilinke über ihren Vormann.

Die blinden Flecken im Schröder-Programm stoßen auch außerhalb der Partei auf Kritik. Der ökologisch orientierte Verkehrsclub VCD hält Schröder vor, daß „der Verkehr bei ihm gar nicht vorkommt“. VCD-Sprecher Burkhard Reinartz findet die Neubildung eines großen Ministeriums für Städtebau, Raumordnung und Verkehr eine „interessante Alternative“. Ähnlich äußerten sich Experten in einer Diskussionsrunde beim Deutschen Verband für Städtebau und Raumordnung. Dort wurde ein „Ministerium für Infrastruktur“ favorisiert, das auf denselben Zuschnitt hinausläuft.

Schröder selbst hat sich dreimal verkehrspolitisch geäußert: pro Transrapid, contra Tempolimit, für eine Erhöhung der Mineralölsteuer um sechs Pfennig. Gewinnt die SPD die Wahl, muß sie schnell handeln: Sie muß bis zum Jahresende die CDU-Kamarilla – Ludewig und Nawrocki auf den Chefposten der Bahn-AG – feuern, und sie muß für die Zeit der deutschen EU-Präsidentschaft ein verkehrspolitisches Konzept vorlegen.