Suche nach den neuen Feinden

■ Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mußten die Strategen von Geheimdienst und Pentagon umdenken

„Das ist eher ein Prozeß denn ein Ereignis, das ist morgen nicht vorbei, wir werden mehr solcher Aktionen sehen und nicht nur solche.“ Mit diesen Worten beschreibt Richard Haas, Direktor des Brookings-Instituts, ein liberalkonservativer Thinktank, den neuen Krieg und die neue Art Kriegsführung, die mit dem Angriff auf Afghanistan und den Sudan begonnen hat.

Das Jahr 1997 stand bei CIA und Pentagon unter dem Zeichen strategischen Umdenkens. Bei der CIA war es die Ernennung des neuen Direktors, George Tenet, die zum Überdenken der Ziele und Aufgaben der Organisation führte; im Pentagon war es die Herausgabe des alle vier Jahre vom Gesetzgeber geforderten grundlegenden strategischen Revirements, das seinen Niederschlag im „Quadrennial Defense Report“ (QDR) fand. Die Strategiepapiere versuchen den Feind neu zu bestimmen und die Aufgaben neu zu definieren. Wer oder was ist an die Stelle der zerfallenen Sowjetunion und der kommunistischen Ideologie getreten? Die Antwort ist eine Aufzählung von Gefahren: „Organisiertes Verbrechen, internationaler Terrorismus, Drogenhandel, elektronische Sabotage, Umweltzerstörung“. Feinde sind nicht mehr Staaten, sondern überstaatliche Netzwerke oder Einzeltäter, die lose organisiert sind oder völlig allein handeln. Sie haben Geld, wie Ussama Bin Laden, oder sind weitgehend mittellos, wie der mutmaßliche Bombenattentäter aus Atlanta, Eric Rudolph, der zur Zeit in den Bergen North Carolinas gejagt wird.

In seiner Rede an die Nation hat Clinton eine ganze Reihe von Ereignissen, von den toten US-Bürgern in Somalia über den Anschlag auf die Kobar Towers in Dahran und den Mord an den deutschen Touristen in Ägypten bis hin zu den Anschlägen auf amerikanischen Botschaften in Afrika, in einen Zusammenhang gebracht. Schuld ist nicht mehr das alte oder ein neues Reich des Bösen oder solche „Schurkennationen“ wie Libyen, Iran, Irak oder Korea, sondern ein Individuum und sein supranationales Netzwerk. Ziele der Angriffe sind auch nicht mehr eine Regierung oder ein Land, sondern Knotenpunkte eines Netzwerks in verschiedenen Ländern. Auch die sogenannten Schurkennationen selbst gehen zu derart dezentraler Organisation über – so vermutet die CIA seit langem, daß der Irak Teile seiner Giftgasproduktion in den Sudan ausgelagert hat. „Die Einrichtungen einer terroristischen Organisation zu zerstören ist wichtig, aber auch nicht das Entscheidende“, erklärt Bard O'Neill, Nahostexperte des American War College, einer amerikanischen Militärhochschule, in einem Interview gegenüber National Public Radio. „Solche Angriffe haben auch den Sinn, den Staaten und Ländern einen hohen Preis für ihre Beherbergung terroristischer Organisationen abzuverlangen.“

Der Kampf gegen den modernen Terrorismus aber werde viel umfassender geführt und auch auf diplomatischer, politischer und geheimdienstlicher Ebene ausgetragen werden müssen – etwa durch die Unterstützung von Oppositionsgruppen im Sudan und im Irak. Richard Haas: „Die Anschläge auf unsere Botschaften und unsere Raketenangriffe sind Vorzeichen der Dinge, die da kommen werden.“ Peter Tautfest