Des Präsidenten neuentdeckte Härte

■ Für das Pressecorps war es wie ein Déjà-vu: Der Hollywood-Streifen „Wag the Dog“ sollte ihnen am präsidialen Urlaubsort Martha's Vineyard die Zeit vertreiben, da gab Bill Clinton den Militärschlag gegen Ziele im Sudan und in Afghanistan bekannt. Und zum ersten Mal traf ein US-Präsident nicht mehr auf ungeteilte Unterstützung – alles wegen Monica Lewinsky?

Um sich die Zeit zu vertreiben, sah das Pressecorps, das Bill Clinton auch an seinem Urlaubsort Martha's Vineyard begleitet, gerade den Film „Wag the Dog“, jene Komödie, in der das Weiße Haus mit Hilfe Hollywoods einen Krieg in den Medien inszeniert, um von peinlich amourösen Affären des Präsidenten abzulenken. Da trat der wirkliche Präsident vor die Kameras, um zu erklären, daß die USA von Schiffen im Roten Meer und im Persisch-Arabischen Golf aus fünfundsiebzig Cruise Missiles auf Ziele in Afghanistan und im Sudan abgefeuert hatten.

Ist es denkbar, daß der oberste Befehlshaber der amerikanischen Streitkräfte tatsächlich einen Krieg anfängt, um von persönlichen Problemen abzulenken? Schwer vorstellbar, und doch wollten einige das nicht ausschließen, und das ist ungewöhnlich.

Das Ganze war wie ein Déjà-vu: Der Film hatte im Januar Premiere, zu einer Zeit, als die Affäre um Monica Lewinsky bekannt wurde und die USA auf einen Showdown mit dem Irak zusteuerten. Und prompt wurde bei einer Pressekonferenz im Pentagon Verteidigungsminister Cohen am Donnerstag gefragt, ob er den Film kenne. „Das einzige Motiv für die heutige Militäraktion war unsere absolute Verpflichtung, Amerikaner vor bevorstehenden Terrorangriffen zu schützen“, entgegnete er sichtlich verärgert.

In der Regel steht Amerikas politische Klasse über alle Parteigrenzen hinweg zusammen und zu ihrem Präsidenten, wenn es um derartige Militäraktionen geht. „Solch schnelle Reaktion und harter Angriff ist so ganz und gar nicht die Art Bill Clintons, den die Nation als Zögerer kennengelernt hat“, erklärte Dan Coats, Senator aus Indiana.

Er forderte den Rücktritt des Präsidenten: „Ich fürchte, wir haben einen Präsidenten, der verzweifelt an seinem Job festhält. Ich glaube, daß dieser Präsident unwiederbringlich das Band des Vertrauens zerstört hat, das er braucht, um wirkungsvoll regieren und die freie Welt führen zu können. Und hat ein Präsident erst seine Glaubwürdigkeit verspielt, wie es dieser getan hat, wird alles zweifelhaft, was er sagt und tut.“

„Bekanntlich hat der Präsident einige Probleme“, stellte Arlen Specter, Senator aus Pennsylvania, fest: „Es steht sogar auf der ersten Seite der New York Times, daß er versuchen wolle, etwas Präsidentielles zu unternehmen, um die Aufmerksamkeit von seinen persönlichen Problemen abzulenken.“ Unterstellt man für einen Augenblick, daß ein „Wag the Dog“-Szenario in der amerikanischen Politik tatsächlich möglich wäre, so zeigen diese Äußerungen, daß eine solche Taktik eher zu einer Entsolidarisierung führen würde.

Clinton verliert jetzt auch in der Außenpolitik

Keineswegs alle Gegner Clintons aber äußerten sich in dieser Weise. Mit einigem Erstaunen erfuhr die Nation, daß die Raketenangriffe mit der Führung der Republikaner abgesprochen war. Newt Gingrich, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, unterstützte den Präsidenten voll und ganz, und der Vorsitzende des Justizauschusses im Senat, der Republikaner Orin Hatch aus Utah, der Clinton am Montag noch einen „Gauner“ genannt hatte, spendete Beifall und dankte für die Militäraktion – nur dürfe es nicht bei diesem einen Schlag bleiben, sondern es müsse jetzt ein Krieg gegen den Terrorismus geführt werden. Auch John McCain, Senator aus Arizona und Mitglied des Verteidigungsausschusses, wies die „Wag the Dog“- Theorie zurück und stellte sich hinter Clinton, betonte aber, daß in den letzten Monaten Probleme der nationalen Sicherheit vernachlässigt worden seien, weil der Präsident „durch den Lewinsky-Sturm abgelenkt war“.

Und das ist der andere Aspekt eines „Wag the Dog“-Szenarios. Clinton wird am Ende zwar die Unterstützung auch seiner politischen Gegner gewinnen, aber um einen hohen Preis: Er wird ihre sicherheitspolitische Position übernehmen müssen. Seit langem ist die republikanische Führung der Auffassung, daß Terroranschläge im In- und Ausland als Bestandteil eines Gewebes gesehen werden müssen, dessen Bekämpfung keine polizeiliche, sondern eine sicherheitspolitische und militärische Aufgabe sei. Clinton verliert nicht nur in der Innen-, sondern auch in der Außenpolitik die Führung. Peter Tautfest, Washington