■ Nachschlag
: Autoren versenden sich: Literatur am See – Achtung Reim – im LCB

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz: Inhaber von Gründerzeitvillen mit Garten müssen bei schönem Wetter Feste feiern. Erst recht, wenn ihr Haus am Wannsee liegt und einen steilen Hang gen Wasser hat, an dem sich Kinder hinunterrollen lassen können. Das Literarische Colloquium ging erfreulicherweise erneut seiner Verpflichtung nach und lud zum Sommerfest im Zeichen der Literatur.

Jedes Jahr zieht dort ein Verlag seine Autorenjoker. Diesmal durfte Eichborn. Und Eichborn sah, daß es gut war. Denn endlich war Raum und Zeit, bis spät in den Abend auf seine stattliche Belletristik hinzuweisen. Das „Kleine Arschloch“-Image darf schließlich nicht überhand nehmen. Und so legte man sich ins Zeug. Die Regenschauer wurden angehalten. Besuchenden Hunden extra Wassernäpfe aufgestellt. Eine Tombola ausgerichtet und den Kindern kräftig Farbe in die Gesichter geschmiert. Nur die Autoren gab man in die Hände von Radio Kultur ab. Radio Kultur besitzt mehrere Mikrofone unterschiedlicher Farbe und unterschiedlicher Funktionsweise. Als Dietrich Schwanitz (der Professor, der aus Unimief Bestseller macht) pünklich um 15 Uhr 5 unter freiem Himmel las, hatte er leider das grüne Mikrofon. Niemand im Garten verstand ihn, aber dafür wurde er versendet. Mehrfache Rufe der Zuhörer, die die Stimme ihres Autors wiederhaben wollten, wurden von den Moderatoren mit bösen Blicken bekämpft. Auch Judith Kuckarts erotische Szene aus „Der Bibliothekar“ blieb an jenem Tag eher eine vage Vorstellung. Das sind Lesungen von ganz neuer Qualität. Da wird mit Leerstellen gearbeitet. Und die Person tritt wieder in den Vordergrund. (Horst Ehmke steht jetzt auf Krimis und trug gelb – beim Pulli. Sein Mikro leuchtete rot, weshalb man ihn gut hörte.)

Die Würstchen waren prima, der Jazz light, der Wind fuhr kräftig durch die Bäume, man sah erste Hosen aus der Herbstcollection. Petra Morsbach gähnte, weil sie erst sehr spät dran war. Drunten fuhr die Wasserwacht einen Einsatz auf gepeitschter See. Über Urs Richles rollendem Schweizer r zog sich ein Gewitter zusammen. Doch gern blieb man sitzen an der schönen Rotunde direkt am Wasser. Die Radiotechnik war schon abgezogen. Michael Neubauer