■ Neues aus der wunderbaren Welt der Günzburger Steigtechnik
: Vergeßt Leitern!

Bei der diesjährigen Zwetschgenernte bietet sich in Bayerisch- Schwaben ein ungewohntes Bild. Hunderte von Obstbäumen sind von silbrig schimmernden Aluminium-Gerüsten umgeben, und zufriedene Erntehelfer können die reifen Früchte in bequemer Haltung pflücken. „Viel besser als Leiter, nix mehr Verrenken“, meint ein trotz seines geringen Stundenlohns hochmotivierter polnischer Erntehelfer, bevor er sich behend auf die untere Etage des Gerüsts schwingt und, ein lustiges Lied auf den Lippen, den Pflückvorgang fortsetzt.

Das futuristische Ensemble kommt nicht von ungefähr: Günzburg, die idyllische Kleinstadt zwischen Ulm und Augsburg, hat sich im letzten Jahrzehnt zur Schwäbischen Metropole des Gerüstbaus entwickelt. In nur 10 Jahren hat die Günzburger Steigtechnik GmbH mit 100 Mann sage und schreibe 100.000 Aluminium-Rollgerüste hergestellt, von den 1.000 Dach- und den 10.000 Kamingerüsten ganz zu schweigen: Dies spricht nicht nur für ein gerüttelt Maß an zahlensymbolic identity der mittelständischen Firma, die den Gerüstboom ins Rollen brachte, sondern auch für eine Erfolgsstory, die so selbstverständlich nur im Lande der Bastler und Tüftler geschrieben werden konnte.

„Kampf dem Haushaltsunfall!“ – nach dieser Unternehmensphilosophie wurden Steighilfen für jeden nur erdenklichen Einsatzzweck entwickelt: Christbaumgerüste für die kinderleichte Anbringung des Baumschmucks, GS-geprüfte Steigtechnik für das gefahrlose Gardinenwechseln, Dachgerüste in allen gängigen Wohnmobilgrößen oder einfach Gerüste für das kleine Einrüsten zwischendurch.

Noch vor wenigen Jahren schien die Steigtechnik ausgereizt zu sein – bis die Günzburger das Gerüst vom Odium des verschmutzten Baustellenzubehörs befreiten und es zu einem hippen Kultobjekt machten. Vorbei sind die Zeiten, als Gerüste schnöde Arbeitsmittel für Bauarbeiter und Restaurateure waren. Bei 12 Grundtypen mit über 180 Ausführungsvarianten sind den Anwendungsmöglichkeiten der kultigen Steighilfen keine Grenzen gesetzt.

Modeschauen auf schwenkbaren Kamingerüsten, Rollgerüst- Rallyes durchs Aluminium valley? Alles kein Problem. Dachgerüst- Climbing ist längst zu einer Funsportart geworden, deren Faszination sich kaum ein junggebliebener Günzburger mehr entziehen kann. Im Eldorado der Steigtechnik ist es für die Kids aber auch supercool, einfach mal auf einem Klappgerüst mit Fahrbalken abzuhängen.

Bei aller trendigen Gerüstomania kommt aber auch die Brauchtumspflege nicht zu kurz – und kaum mehr ohne die breitgefächerte Gerüstpalette aus: Das traditionelle „Fensterln“, das früher mit einer einfachen Leiter in archaischer Lehntechnik betrieben wurde, üben die jungen Burschen heutzutage nur noch mit schwerem Gerät aus.

Nächtens wird das Alu-Rollgerüst vor dem Fenster in Stellung gebracht, der verstellbare Ausleger ermöglicht den gefahrlosen Einstieg ins Schlafgemach der Angebeteten. Die Hightech-Steighilfe soll im ländlichen Raum inzwischen schon zu einem beträchtlichen Anstieg der Geburtenrate geführt haben.

Erstaunlich auch, daß die Günzburger bei allem Erfolg buchstäblich „auf dem Boden geblieben“ sind: Ihre Gerüste werden nämlich nur bis zu einer Höhe von 12 Metern angeboten. Das Firmencredo lautet: „Wir bauen Gerüste mit menschlichem Maß.“

Auch wenn sich das Unternehmen in der typisch schwäbischen Bescheidenheit übt – eine Tatsache kann dem Betrachter doch nicht verborgen bleiben: Die Günzburger sind mit ihrer Steigtechnik im ausgeklügelten Baukastensystem dem alten Traum der Menschheit nach dem mühelosen Sich-in-die-Lüfte-Erheben schon ein gutes Stück nähergekommen!

Rüdiger Kind