Dschungel der Justizposse

■ Mitglied der Selbsthilfegruppe Zivilrechtsgeschädigter wegen Richterbeleidigung vor dem Kadi

„Eine Justizposse!“ flüsterten im Zuhörer-Raum die Freunde des alten Richters, der auf der Zeugenbank noch einmal den letzten Prozeß seiner über dreißigjährigen Karriere am Bremer Amtsgericht rekapitulieren mußte. Aber eine Justizposse war es kaum, wovon Zivilrichter a.D. Alf Albrecht am Ort seiner einstigen Tätigkeit berichtete: Eine todtraurige Geschichte von Menschen, die sich in den berühmten Dschungel der Paragraphen begeben und dort wild ihre Windmühlenkämpfe austragen. Aber gibt es Windmühlen im Dschungel?

Der Angeklagte im gestrigen Strafprozeß, Herbert L. ist sich da sicher: Als Mitglied des Vereins Mainz – Mandanten-Initiative Zivilrechtsgeschädigter – kämpfte er gegen den Justizapparat, der ihm die Freude am Leben vergällte, und in den er sich nun begibt, um als Prozeßbeobachter für seine Vereinsmitglieder künftiges Unrecht zu verhindern. Viele enge Begriffe hat er dabei lernen müssen und manchmal springen ihm diese Wörter wohl allzuschnell aus seiner alten Schreibmaschine. Jetzt zumindest sitzt er selbst als Angeklagter vor Gericht, weil der Präsident des Bremer Amtsgerichts seine Wortwahl als „Beleidigung“ empfand. Als „Rechtsbeuger“ habe Herbert L. Richter Albrecht bezeichnet, so lautet die Anklage, als einen „offensichtlich listigen Straftäter im Amt“, als „Wiederholungstäter“.

Und mögen List und Wiederholung des Gleichen auch angemessene Tätigkeitsbezeichnungen für das Richteramt sein und ist die Beugung von Recht vielleicht gar ihr notwendiges Geschäft – der Gerichtspräsident las Böses und holte Herbert L. vor Gericht.

Ging es diesem doch darum, daß dem Mainz-Mitglied Edith Eberle gleich zweimal Unrecht getan worden sei – erst von ihrer Schwester und nun auch von Richter Albrecht. Am Sterbebett ihres Bruders nämlich hatte die Schwester von Edith Eberle die Übereignung der elterlichen Wohnung zu eigenen Händen gefälscht, so klagte die Rentnerin und hatte dem Richter dafür unermüdlich Beweise zukommen lassen: Unterschriftsfähig sei ihr Bruder zum Zeitpunkt der Wohnungsübereignung längst nicht mehr gewesen.

„Die Sache roch“, gestand auch der Richter gestern außerhalb des Gerichtssaals, so ganz koscher war das vielleicht nicht, was da am Totenbett des Bruders passiert war. Der Eberle aber soll er bestellt haben, sie möge ihre Albernheiten jetzt endlich sein lassen, und vor Gericht sagte er gestern „nach Recht und Gesetz“ habe er „die Klage abweisen müssen“ – nicht zuletzt, weil auch das noch herangezogene Gutachten „so ausfiel, wie ich mir das nach dreißig Jahren Berufserfahrung gedacht habe“: Es bestätigte, daß der Sterbenskranke die Wohnungsübereignung noch selbsttätig vollbracht haben könnte.

Nicht Rechtsbeugung also, sondern das weltliche Trauerspiel unvollkommener Zivilrechtsgeschäfte? Herbert L. glaubt das nicht und bewegte sich als Verteidiger seiner selbst mit Ausdrücken wie „Gesinnungsjustiz“ weiter entlang der Beleidigungsgrenze. Und auch Edith Eberle hat keine Zweifel am warmen und fiesen Juristenfilz – sei doch ihre Schwester als Gerichtskollegin jahrelang am Sozialgericht tätig gewesen. Fröhlich war da nur der alte Richter und wechselte mit dem Vorsitzenden manches halbunterdrückte Lächeln. ritz