Wahlkampf 98: Einzelbewerber
: „Ich glaube an Wunder“

■ Zehn Einzelbewerber wollen als unabhängige Direktkandidaten in den Bundestag: Die Kabarett-Tunte „Ovo Maltine“ will den Bundestag farblich und spiritualistisch beleben

Nein, das ist keine Ente. Der Direktkandidat für den Wahlkreis Schöneberg/Charlottenburg, Christoph Josten, hat sich die Ente als Wappentier erkoren. Ein Wort, mit dem sich wunderbar spielen läßt. So soll die Wahlente Catharina den Bundestag entern, um Bundespräsidente zu werden.

Christoph Josten, der eigentlich eine Direktkandidatin ist,

spielt gerne. Mit Worten und seinem Geschlecht. Die 32jährige Kabarett-Tunte „Ovo Maltine“, die sich von der Schwuz-Bühne zur Volksbühne hochgearbeitet hat, sieht sich zwischen den Geschlechtern. Wenn der Nordpol die Männer und der Südpol die Frauen sind, sagt sie, sei sie ein Reisender zwischen den Polen. Das klingt schön.

Das Ziel der nächsten Reise soll der Bundestag sein. „Warum nicht?“ fragt „Ovo Maltine“ selbstbewußt. „Seitdem eine israelische Transe den Grand Prix gewonnen hat, glaube ich an Wunder.“ Sie weiß genau, warum sie sich die Mühe gemacht hat, die Wahlunterschriften zum Teil doppelt zu sammeln (viele Schwule waren so „zickig“ und haben ein falsches Alter angegeben): „Ich werde nicht müde zu sagen, daß schwul sein nicht nur heißt, den Arsch hinzuhalten“, sagt sie. Während „Ovo Maltine“ mehr Spiritualität im Bundestag verspricht, fordert die WC-Ente öffentliche Toiletten als Klappen, die Renitente die Abschaffung der Bundeswehr, die Virulente ein Aidshospiz, die Sortimente die Freigabe von Marihuana. Die Prozente will ein Blasverbot des Polizeiorchesters.

Das klingt lustig.

Der Bundestag als Bühne.

Dann müßten sich die Mitglieder auf eine „richtige Gesprächskultur“ gefaßt machen und viel Rosa, kündigt „Ovo Maltine“ an. Zartrosé, um genau zu sein. Mit ihrer rosa Ballonfrisur will sie den Wählerauftrag im Politspektakel erfüllen. „Die Kleidung ist Ausdruck meines Seins“, sagt sie. „Das habe ich mir bei Gandhi abgeguckt.“ Je nach Kleidung und Körperhaltung mache sie eine Aussage. Das klingt ernsthaft.

Wer sich HIV-positiv positiv macht („Der HIV-Virus hat mich befruchtet“) und die eigene Mutter zum 70. Geburtstag zu einem Joint überredet hat, hat allen Grund zum Optimismus. „Ovo Maltine“ will über den schwulen Sumpf und Bekanntenkreis hinaus. Die eigene Klientel gibt ihr Kraft, aber „man muß auch eine frustrierte 65jährige Rentnerin ansprechen“, wie sie sagt. Deshalb wird sie morgen abend im SO36 mit dem grünen Direktkandidaten in Kreuzberg/Schöneberg, Christian Ströbele („Der hat 'ne Menge drauf“), den „relevanten politischen Kräften Kreuzbergs“ und Gregor Gysi („Ich lese gerade seine Biographie“) über Perspektiven eines Politikwechsels diskutieren. Die Veranstaltung soll nicht spannender als Fußball werden, aber anders.

Dafür sorgen auch der Mitbegründer der KPD-RZ, Dr. Seltsam, die Praktikantin M. Lewinsky und Christian Specht mit echter Kamera. Das klingt vielversprechend. Barbara Bollwahn

Entenpost an Mailbox Nr. 1998, Eisenacher Straße 12, 10777 Berlin. Wird fortgesetzt