Wenn der Geldhahn verstopft ist

Pfandleiher haben Hochkonjunktur in der Ferienzeit. Ihr Kundenstamm erstreckt sich auf alle soziale Schichten. Kunden schätzen den Serive: Schnell, diskret und unkompliziert  ■ Von Corinna Budras

„Also, 110 Mark kann ich Ihnen dafür geben“, erklärt Pfandgutachter Christian Schmiedeberg und fingert noch mal zur Kontrolle an dem Videorecorder herum. „Aber mehr ist nicht drin.“ Den Kunden mit den wirren Haaren und dem Schnauzer bringt das schon zur Begeisterung. „Mir reicht das schon für den Übergang“, versichert er. Eine Erklärung für seinen Besuch ist eigentlich gar nicht notwendig, doch reflexartig sprudelt es aus ihm heraus: „Wissen Sie, ich hab' keinen, der mir was gibt.“

Mit der Kundin neben ihm verbindet ihn nicht viel. Nur das Motiv, das sie hier nebeneinander vor dem großen Glasschalter stehen läßt: ein vorübergehender finanzieller Engpaß. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal: Sabine S. spielt in einer anderen Liga. Sie verpfändet Erbschmuck ihrer Großmutter und bekommt dafür zehnmal mehr als ihr Nachbar. Schnell, diskret und unkompliziert. Sie braucht das Geld für eine „größere Ausgabe“, ihr bescheidener Nachbar braucht es „einfach nur zum Leben“.

Im kleinen Schalterraum des Leihaus City in Charlottenburg drängelt sich das Spiegelbild der Gesellschaft. Ein Geschäftsmann im dunkelblauen Anzug und Designer-Brille tauscht mit der Angestellten Hilde Behrendt mehrere Goldringe und eine Omega-Uhr gegen einen Tausender und einen Pfandschein. Eine ältere Frau feilscht mit dem Inhaber Axel Neisch um eine Goldkette mit schweren Steinen: „Die hat mal 6.000 Mark gekostet.“

Rolf Glauser von der Exchange AG in der Friedrichstraße hat da einen wesentlich diskreteren Umgangston. Der Kunde mit dem Engpaß wird in einen abgeschlossenen Raum gebracht, auf Wunsch werden auch die Fenster verdunkelt. Dann erst kommt man zum Geschäft. Ruck, zuck ist die Sache vorbei: 80 Prozent des Marktwertes bietet Rolf Glaser. Nur ein Ausweis ist notwendig, dann wechselt ein ausgefüllter Pfandschein auch schon den Besitzer. Der Gegenstand wandert zu den anderen Ringen, Uhren und Porzellanfiguren in den vollen Safe – das war's dann schon, auf Wiedersehen. Keine endlosen Gespräche über Sicherungen, keine Rechtfertigung, keine Formalitäten.

„Es sind nicht die Ärmsten, die ihre Habseligkeiten verpfänden“, räumt Glaser mit einem alten Vorurteil auf. Hauptvertreter seiner Stammkundschaft: Touris, die zuviel Geld ausgegeben, Sammler, die ein interessantes Stück erstehen müssen, und Selbstständige im Anfangsstadium. Beliebt ist das Geschäft auch in der Ferienzeit. Wer nicht weiß, wo er im Urlaub Omas Klunkern sicher lagern soll, bringt sie zum Pfandleiher und bekommt dazu noch einen Notgroschen. Monatlicher Kostenfaktor: ein Prozent der Darlehenshöhe plus 10 Mark Gebühren für Taxierung, Lagerung und Versicherung.

Drei Monate haben die Kunden Zeit, ihre Gegenstände wieder einzulösen, bei Bedarf kann auch verlängert werden. Mehr als 90 Prozent holen ihre Habseligkeiten auch wieder ab. Doch das ist Rolf Glaser zu wenig: „Wir haben überhaupt kein Interesse daran, daß die Sache zur Versteigerung kommt.“ Denn wenn bei einer Versteigerung ein höherer Betrag zustande kommt, als ausbezahlt wurde, dürfen die Pfandleiher lediglich die Gebühren einbehalten. Den Überschuß müssen sie für den früheren Eigentümer aufbewahren und nach zwei Jahren bei Nichtabholung an den Staat abdrücken.

Unter den fünf bis zehn Prozent, die ihren Pfand nicht abholen, spielt nicht bei allen Geldnot die entscheidene Rolle. Neben den absoluten Härtefällen ist der Pfandleiher für einige auch eine einfache Lösung, unliebsame Geschenke abzuladen und sich Neuem zuzuwenden: einer Cartier-Uhr zum Beispiel.