Das Portrait
: Populist mit Machtinstinkt

■ Amien Rais

Amien Rais verleugnet seinen Ehrgeiz nicht: Er sei „mehr als bereit dazu, Präsident Indonesiens zu werden“, sagt er immer wieder. Mit seiner am Sonntag gegründeten „Nationalen Mandatspartei“ (PAN) strebt er ins höchste Amt. Die Chancen stehen nicht schlecht: Als langjähriger Chef der muslimischen Religionsgemeinschaft Muhammadiya, die 25 Millionen Mitglieder umfaßt, gehört Rais zu den charismatischsten Oppositionellen des Landes.

Schon im Frühjahr, als der alte Diktator Suharto sich noch an seinen Posten klammerte, riefen die Anhänger des 54jährigen in den Universitäten und Moscheen „Präsident Amien Rais“, wenn er gegen Korruption, Nepotismus und Mißwirtschaft wetterte. Als die StudentInnen im Mai das Parlament besetzten und schworen, es erst nach dem Rücktritt Suhartos zu verlassen, feuerte Rais sie zum Durchhalten an. Damals gewann er auch Sympathien unter den Angehörigen der Mittelschicht, die bislang gefürchtet hatten, er wolle aus Indonesien einen islamischen Staat machen. Als es immer wieder zu antichinesischer Gewalt kam, verurteilte Rais diese Angriffe.

„Er ist reifer geworden“, sagten indonesische Intellektuelle damals. Denn früher hatte sich der Politikwissenschaftler, der in Chicago promovierte, nicht durch religiöse Toleranz hervorgetan: Während seines Studiums habe Rais sich zum Beispiel geweigert, die Häuser „Ungläubiger“ zu besuchen, berichteten frühere Kommilitonen.

Andere halten ihn für einen Opportunisten. Mit populistischen Parolen wirbt er unter den Unzufriedenen, die der chinesischen Minderheit und dem Ausland die Schuld an Indonesiens Wirtschaftskrise geben. Seine neue Partei „unterstützt und respektiert den Pluralismus“, sagt Rais. Während er seinen Posten als Muhammadiya- Chef jetzt aufgab, will er ähnlich wie in Malaysia die muslimischen „Söhne der Erde“ wirtschaftlich bevorzugen, indem zum Beispiel muslimische Firmen begünstigt werden sollen.

Bestätigt sahen sich die Zweifler, als Rais kürzlich in Singapur erklärte, er glaube nicht, daß 170.000 Chinesen nach den Unruhen vom Mai aus Indonesien geflüchtet seien. „Das ist eine aufgeblähte Zahl“, sagte er, „genau wie wenn die Israelis sagen, im zweiten Weltkrieg seien sechs Millionen Juden ermordet worden.“ Jutta Lietsch