Cohn-Bendit wird man nicht mehr los

■ Die französischen Grünen diskutieren ihren Spitzenkandidaten zu den Europawahlen. Einer will es unbedingt werden: Dany Cohn-Bendit

Paris (taz) – Es gibt Kandidaten, die man nicht mehr los wird. Daniel Cohn-Bendit gehört zu dieser Sorte. Seit Monaten bereitet der selbsternannte „deutsch-französische Bastard“ seine Rückkehr nach Frankreich auf allen Kanälen vor. 30 Jahre nach dem Jugendmonat auf den Pariser Barrikaden wünscht er seine zweite französische Karriere legalistisch. Er will Listenführer der französischen Grünen bei den Europawahlen werden. Das kleine Problem: „Les Verts“ sperren sich.

Bei der heute im französischen Jura beginnenden „Sommeruniversität“ der französischen Grünen steht neben Globalisierung, der vorläufigen Bilanz der rot-rosa-grünen Regierungspolitik und einer Diskussion über die Transportpolitik auch das Thema „Dany“ wieder einmal auf der Tagesordnung. Neben der grünen Umweltministerin Dominique Voynet, dem kommunistischen Verkehrsminister Jean-Claude Gayssot und einem sozialistischen Staatssekretär wird auch der Kandidat aus Frankfurt am Main anreisen. Statt seinem in Frankreich lebenden Bruder Gabriel, der für gewöhnlich sein Lobbying betreibt, will Cohn-Bendit diese Woche selbst für sich werben. Zur Entscheidung steht in den vier Tagen nichts – die Abstimmung über die Liste für die Europawahlen ist für eine Vollversammlung der Grünen im November geplant. Aber die Sommeruniversitäten, die alle französischen Parteien Ende August abhalten, geben doch die weitere politische Richtung für das neue Jahr an.

Bislang haben die französischen Grünen Cohn-Bendits Kandidatur, die er zuerst in den Medien bekanntgab, gebremst. Wichtiger als eine Debatte über Personen sei die Diskussion über Themen, erklärte Voynet im Juni. Und fügte hinzu: „Seine Idee von Europa, als Ort des Friedens, der Zusammenarbeit und des Austausch der Völker, teile ich. Aber er ist entschieden zu naiv, was die wirtschaftlichen Instrumente und die liberale Durchdringung des Marktes betrifft.“

Ins selbe Horn stößt Philippe Boursier, einer der nationalen Sprecher der Grünen, der erklärt: „Seine wirtschaftlichen und sozialen Orientierungen, seine Stellungnahme für Maastricht und den Euro – all das sind zu viele Konzessionen an den Liberalismus.“

Die resolute 39jährige Umweltministerin Voynet wäre nach Ansicht vieler Grüner die geeignete Frau, um Cohn-Bendit Paroli zu bieten. Doch sie kann sich nicht um das Amt bewerben, da ihre Regierung die Ämterhäufung bekämpft. Zwar mangelt es den Grünen nicht an anderen potentiellen Spitzen- KandidatInnen, die zudem noch zehn bis fünfzehn Jahre jünger und seit Jahren mit den Spezifika der französischen Öko-Politik vertrauter sind als der 53jährige Cohn- Bendit – doch fehlt ihnen die mediale Schlagkraft.

Auch jenseits des Maijubiläums hatte Cohn-Bendit sein retour sorgfältig eingefädelt. Schon im Frühjahr 1995 empfahl er sich in einem Zeitungsinterview mit dem Satz, „Die Grünen wissen nicht, wie man Politik macht“, als Ratgeber und Retter der französischen Ökos. Im Frühjahr 1997 verlangte ein „Appell von 22 Jungen“ flehentlich nach seiner Rückkehr in die französische Politik. In diesem Sommer schließlich gab er ein Euro-Lexikon heraus, in dem er sich als „Europa-Abhängiger“ outet.

Bei den Grünen, die inzwischen nicht nur Regierungspartei geworden sind, sondern auch ihre Mitgliederzahl (auf rund 6.000) verdoppelt haben, gefällt derlei Besserwisserei aus dem Osten nicht. Um Cohn-Bendit zu bremsen, gaben sie sogar eine Meinungsumfrage in Auftrag, die ergab, daß Voynet bei den Europawahlen sieben und Cohn-Bendit sechs Prozent bekommen würde.

Den Kandidaten hat das erwartungsgemäß nicht eingeschüchtert. Bei den Grünen gilt es inzwischen als ausgemachte Sache, daß er im November den Zuschlag kriegt. Vorausgesetzt, „er macht keine groben Schnitzer mehr“, heißt es aus der Parteizentrale. Dorothea Hahn