Schlacht um Hyundai verhindert

■ In Süd-Korea endet die Besetzung des Autowerks durch 6.000 Arbeiter nach 36 Tagen doch noch friedlich mit einem Kompromiß

Berlin (taz) – Nach vier Tagen Verhandlungen kam gestern früh doch noch die überraschende Einigung bei Hyundai: Die Arbeiter in Süd-Koreas größtem Autowerk konnten gerade noch Massenentlassungen verhindern. Statt des geplanten Rauswurfs von über 1.500 Arbeitern sollen jetzt nur noch 277 ihren Job verlieren. Der Rest soll allerdings für eineinhalb Jahre in unbezahlten Urlaub geschickt werden und davon sechs Monate für Fortbildungen nutzen. Über 6.100 der 42.000 Arbeitsplätze hatten Hyundai bereits zuvor nach „freiwilligen“ Kündigungen verlassen.

Hyundai versprach, in den nächsten zwei Jahren von weiteren Kündigungen abzusehen. Der Konzern verzichtet auch auf eine Anzeige gegen die Gewerkschafter, deren Besetzung des Hyundai- Hauptwerks in Ulsan illegal war. Die Betriebsgewerkschaft räumt im Gegenzug der Firmenleitung das Recht ein, über die ausgehandelten Kündigungen selbst zu entscheiden.

Noch am Sonntag hatte es so ausgesehen, als seien die Verhandlungen gescheitert. Sie waren im Auftrag der Partei von Präsident Kim Dae-jung geführt worden. Die Schlichter hatten die Geschäftsleitung für den vorläufigen Gesprächsabbruch verantwortlich gemacht. Doch schließlich erreichte Arbeitsminister Lee Ki-ho doch noch einen Kompromiß.

Es ist das erste Mal, daß Süd- Koreas militante Gewerkschaften konkret Massenentlassungen zustimmen. Erstmals vermittelte auch die Regierung erfolgreich zwischen Management und Gewerkschaften und verzichtete auf den in der Vergangenheit immer wieder praktizierten massiven Einsatz der Polizei gegen Streikende. In Ulsan standen den verbarrikadierten rund 6.000 Fabrikbesetzern und ihren Angehörigen etwa 15.000 Bereitschaftspolizisten gegenüber. Eine gewaltsame Räumung der seit dem 20. Juli besetzten Autofabrik hätte nicht nur zu zahlreichen Toten führen können, sondern auch dem Image Süd-Koreas und seines seit sechs Monaten amtierenden Präsidenten geschadet.

Wirtschaftskreise kritisierten den Kompromiß als zu gewerkschaftsfreundlich. Die Entlassung von nur 277 Arbeitern sei kein Durchbruch zur angestrebten Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Der Kompromiß belohne die Militanz, sende falsche Signale an ausländische Investoren und lasse Zweifel an der Reformfähigkeit der Regierung aufkommen.

Zahlreiche Firmen, die Massenentlassungen planen, hatten sich von Hyundai als größtem südkoreanischen Konzern eine Vorreiterrolle erhofft. Hyundai wollte als erster die erst seit Februar bestehende Möglichkeit zu Massenentlassungen umsetzen. Nach einem Bericht der Zeitung Chosun Ilbo steht im September und Oktober die Entlassung von insgesamt 300.000 Beschäftigten an.

Auf Kritik stieß der Kompromiß auch bei 200 Hyundai-Arbeitern, die jegliche Entlassungen verhindern wollten. Wie ein Fabrikbesetzer gestern gegenüber der taz erklärte, hätten nach der Bekanntgabe des Kompromisses Arbeiter auf dem Fabrikgelände vor dem Gewerkschaftsbüro demonstriert und aus Protest ihre Gewerkschaftswesten verbrannt. Er rechne jedoch damit, daß 70 Prozent der Beschäftigten dem Kompromiß zustimmen. Sven Hansen