„Die Weichen werden früh gestellt“

■ Arbeitspsychologe Siegfried Greif zum selbstorganisierten Lernen

taz: Welche Menschen lernen besonders leicht selbständig?

Siegfried Greif: An sich sind alle Menschen in der Lage, sich auf etwas Neues einzulassen. Da ist immer Angst dabei, aber diese Angst kann man überwinden, wenn man ein sicheres soziales Netzwerk hat. Das geht los im Kleinstkindesalter, wenn da eine sehr gute Bindung zu den Eltern da ist. Dann lernen Kleinstkinder mehr durch entdeckendes Lernen und durch eigene Fehler.

Fehler machen gehört zum selbständigen Lernen?

Es gehört die Fähigkeit dazu, mit Fehlern umzugehen. Man hat Experimente mit Kleinkindern gemacht und sogenannten Explorationsboxen. Da können die Kinder eine Tür aufmachen, da bewegt sich ein Luftstrom, da flackert was. Es gibt nun Kinder, die sehr ängstlich davor stehen, und wenn noch ein Hupton kommt, klammern sie sich an die Eltern. Andere aber machen weiter, wenn die Eltern sagen: Ach, guck doch mal, ist doch interessant. Diese ganz konkrete Verantwortung der Eltern stellt Weichen für das Lernen schon im frühesten Kindesalter.

Wie wirkt sich das später aus?

Später am Arbeitsplatz, vor dem Computer, gibt es diejenigen, die sagen: Ich hab' zwar einen Fehler gemacht, ich kann das aber trotzdem, ich mach' jetzt mal weiter. Die anderen hingegen gucken ins Handbuch und stöbern im Hilfesystem, ehe sie den nächsten Schritt machen. Die erste Gruppe lernt schneller als die Bücherwürmer.

Beim autodidaktischen Lernen in Gruppen spielt doch auch die soziale Kompetenz eine Rolle?

Es ist wichtig, daß ich selbst reflektieren kann über mein eigenes Tun. Selbstreflexion ist der Kern von sozialer Kompetenz. Auch in unseren Rollenspielen mit vermeintlichen Führungskräften haben wir Leute, die konnten hinterher leicht darüber sprechen, was sie gut oder weniger gut gemacht hatten. Andere dagegen meinten: Das müssen Sie mir doch sagen, das kann ich nicht beurteilen. Solche Leute haben Schwierigkeiten zu lernen. Interview: Barbara Dribbusch