Nolte sieht nur wenig Armut

Ein Kommissionsbericht spricht von Kinder- und Jugendarmut. Die wissenschaftliche Messungsmethode sei falsch, meint Bundesjugendministerin Nolte  ■ Aus Bonn Cornelia Fuchs

Bei der gestrigen Vorstellung des zehnten Kinder- und Jugendberichts in Bonn blieb Bundesjugendministerin Claudia Nolte (CDU) stur. Entschieden wies sie die darin gemachten Aussagen über steigende Kinderarmut in Deutschland zurück. Kritik übte sie vor allem an der Definition von Armut, die die Armutsschwelle bei der Hälfte des Durchschnittseinkommens der Bevölkerung ansetzt. Dieses Konzept sei für die Messung von Armut ungeeignet, so Nolte. Selbst wenn sich bei dieser Definition alle Einkommen verdoppeln würden, wäre trotzdem die Armut unverändert hoch. Armut sei nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern auch von der Frage, wie die Menschen mit ihrer Einkommenslage zurechtkämen. Sie widersprach der Expertenkommission, die in ihrem Bericht den Bezug von Sozialhilfe mit Armut gleichsetzte: „Sozialhilfe bekämpft die Einkommensarmut.“ Die ansteigende Zahl der Sozialhilfeempfänger könne kein Hinweis auf wachsende Armut sein, wenn durch Leistungsverbesserungen der Kreis der Leistungsberechtigten ausgeweitet wird. Obwohl Nolte aufgrund einer fehlenden einheitlichen wissenschaftlichen Definition von Armut keine konkreten Prozentzahlen über arme Familien nennen wollte, bestätigte sie, daß es auch hier Armut gebe. Dies sei vorrangig auf die steigenden Migrationszahlen in den Neunzigern zurückzuführen, auch auf die steigende Zahl der Scheidungen und der wachsenden Arbeitslosigkeit: „Sozialhilfe hilft zwar, aber nicht bei allen.“ Armut entstehe durch fehlende Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen: „Daher müssen wir eine differenzierte Beratung anbieten.“ Vorwürfe, die Bundesregierung wolle die Veröffentlichung des Jugendberichts verzögern, wies Nolte von sich. Die Kommission habe ihren Bericht ein halbes Jahr zu spät und im doppelten Umfang vorgelegt. Daher sei eine fundierte Stellungnahme erst jetzt fertig geworden: „Weiß Gott zu spät für eine Parlamentsdebatte, aber immerhin noch eine Woche vor dem September.“