Oscar-Trophäen und Alien-Leichen

■ Leslie Nielsen kann es nicht besser: die Agentenfarce Forbidden City Cop im 3001

Anfang der 70er Jahre betraten drei ganz neue Helden die Leinwand, und alle drei waren gern gesehene Gäste in den Bahnhofs- und Ghettokinos weltweit: der stoppelbärtige Pistolero des Italo-Western, der supercoole private dick des Blaxploitation-Kinos – und dann war da auch noch dieser kleine, schmalbrüstige Asiate, der auf den Namen Bruce Lee hörte.

Alle drei interpretierten amerikanische Genres aus der Perspektive des Underdogs und brachen mit der selbstlosen Zurückhaltung, die Nicht-Weißen in Hollywood auferlegt war. Damalige Kritiker sprachen deshalb bisweilen von einem „Cinema of Vengeance“, dessen Sprache zwar nicht von den Kritikern, aber in den nächtlichen Double Features sofort verstanden wurde. Am akrobatischsten und balletthaftesten war die Sprache dieser Gewalt-Mythen in den Kung-Fu-Filmen aus Hongkong: Wenn Lee in ungeschnittenen Totalen seine Pirouetten drehte, war er der Fred Astaire Asiens, der den Deklassierten ihren Körper zurückgab. Auch wenn er dabei seinen sehnigen Oberkörper dem voyeuristischen Spektakel überantwortete, sprach sein Körper am Ende vor allem doch wieder nur von der alten narzißtischen Mär männlicher Selbstbehauptung und -ermächtigung, die Hollywood näher war, als er vielleicht dachte.

Langer Vorrede kurzer Sinn: Die Vitalität des kantonesischen Kinos über die 70er Jahre hinaus verdankt sich nicht zuletzt auch der Fähigkeit, sich derartigen maskulinen Action-Stereotypen zu verweigern. Neben den großen transsexuellen Helden einer Brigitte Lin in Geistergeschichten wie der Swordsman-Trilogie fanden solche Dekonstruktionsleistungen genauso in den Komödien eines Jackie Chan statt, der, anders als die ständig witzelnden stahlharten Profis Hollywoods, eben nicht immer qua Humor Herr der Situation bleibt.

Stephen Chiaus historische Agentenfarce Forbidden City Cop, 1996 der dritterfolgreichste Film Hongkongs, nimmt sich das beste aus beiden Welten: an Drahtseilen durch die Luft fliegende Menschen, mit Magnetkräften ausgetragene Duelle, Geschlechterverwirrung und Spezialeffekte satt – und obendrein spielt Chiau einen von diesen linkischen Chanschen Helden, die durch den verzwickten Plot eher stolpern als ihn ordnen. Chiau ist einer von vier Geheimagenten, die das Leben des Kaisers in der Verbotenen Stadt beschützen. Doch während seine Kollegen mit beinharten Kung-Fu-Skills glänzen, gibt sich Chiau lieber der Erfindung von nicht immer ausgereiften, aber immer im Slapstick endenden Dingen hin: der erotischen Nutzung der Mauskraft etwa, oder Bomben, die wie die notorischen Zigarren der Stummfilm-Ära im Mund explodieren. Wenn dann noch eine Alien-Leiche auftaucht und eine Oscar-Verleihung stattfindet, ist das Chaos perfekt. Aber bereits mit seinem äußerst charmant die Pop-Art-Ästhetik der James-Bond-Filme persi-flierenden Vorspann dürfte Forbidden City Cop die Herzen aller einnehmen, die die Unterhaltungsfunktion des Kinos nicht komplett hassen. Saul Bass – aber auch Leslie Nielsen – hätten es nicht besser gekonnt.

Tobias Nagl

Do, 27. August bis Mi, 2. September, 20.30 Uhr, 3001