Veteran des Free Jazz trifft Illegal 2000

■ Archie Shepp glänzte in der Oldenburger Kulturetage mit seinen furiosen Soli

Es war schon ziemlich seltsam, daß die Veranstalter Archie Shepp vor seinem Konzert am Dienstag in Oldenburg als Traditionalisten angekündigt hatten. Immerhin war der Saxophonist in den 60ern ein maßgeblicher Katalysator des Free Jazz gewesen.

Das ist auf den diversen „Impulse!“-Neuauflagen seiner Platten in der letzten Zeit und nicht zuletzt auf John Coltranes „Ascension“ nachzuhören. Gut: Seine letzten Veröffentlichungen mit seinem Quartett ließen eher selten die Funken sprühen. Aber vom bloßen Festschreiben einer Tradition sind sie dann doch noch ein Stückchen entfernt. Und läßt man in Shepps Gegenwart den Namen Wynton Marsalis fallen, wird er gar richtig gallig, wie in diversen Interviews nachzulesen ist. Diese zeigen ihn auch nach wie vor als äußerst interessanten Denker in der Black Power-Tradition. Er ist nicht umsonst Professor für Literatur und „Black Music“ in Armherst/Massachussetts, wo auch sein alter Mitstreiter Max Roach unterrichtet.

Und so war die verspätete Eröffnung des Abends nach kurzem Soundcheck auch furios, soweit man das bei dem Soundmatsch erkennen konnte. Die Kulturetage ist eigentlich nicht so groß, daß man ein Jazz-Quartett verstärken müßte, aber da Richard Clements nunmal auf einem E-Piano spielte (in Ermangelung eines akustischen?), war das wohl unumgänglich. Mit dem Ergebnis, daß man Shepp und seinen Drummer Steve McCraven, ein Hardhitter vor dem Herrn, laut und deutlich, Wayne Dockery am Bass und eben Clements eher nicht hören konnte. Sowas passiert, wenn man Menschen mit Illegal-2000-T-Shirts Jazzkonzerte abmischen läßt.

Nach der Pause war der Sound dann etwas besser, und der bereits vorhandene Eindruck, daß die Rhythmsection eher lahm und ideenlos vor sich hinspielte, bestätigte sich. Spannung kam immer nur dann auf, wenn Shepp zum Solo ansetzte oder seine Stimme erhob. Beileibe kein begnadeter Sänger, machte er es durch Ausstrahlung und Shouter-Qualitäten wett. Und wenn er mit brüchiger Stimme eine Ballade anstimmte, kam gar Rührung auf, bis zum nächsten uninspirierten Freispiel der Rhythmsection.

Wenn die Interaktion derart gegen Null tendiert, hilft auch ein guter Frontman nicht. Dem Publikum war's weitgehend egal. Der total straighte Blues zum Abschluß, der nun wirklich nach Frühschoppen klang, zauberte Verzückung auf die meisten Gesichter und verleitete manch eine/n zu verkrampftem Gezappel. Dieter Wiene