Im Visier von Internet-Querulanten

■ Schweriner Unternehmen bietet professionelle Beschwerdehilfe im Internet an / Erste Opfer sind Bremer Sparkasse sowie mehrere hiesige Richter und ein Staatsanwalt / Gegenanzeige läuft

Die Bremer Sparkasse, Bremer Richter und ein Staatsanwalt sehen sich zur Zeit im Internet massiven Anschuldigungen ausgesetzt. Urheber ist die Schweriner Firma Dietrich Franz GmbH mit ihrem Projekt „Redefreiheit“, gegen deren Teilhaber inzwischen die Staatsanwaltschaft ermittelt. Diese haben sich das Ziel gesetzt, Menschen, die ihrer Meinung nach unberechtigten Forderungen von Banken, Fehlurteilen oder anderen Ungerechtigkeiten ausgesetzt sind, im Internet ein Forum zu bieten.

Zur Zeit finden sich unter der Adresse www.schweriner-verband.de Vorwürfe gegen die Sparkasse wegen Betrugs, Untreue, versuchter Erpressung sowie Nötigung. Dem Staatsanwalt Uwe Picard wird vorgeworfen, gegen die Meinungsfreiheit verstoßen zu haben. Helmut Gass und Wolfgang Grotheer, Vizepräsident und vorsitzender Richter am Bremer Landgericht, sollen sich zusammen mit Richter Uwe Jordan vom Oberlandesgericht der Rechtsbeugung schuldig gemacht haben.

Sämtliche Vorwürfe hängen mit mehreren Verfahren zwischen der Bremer Sparkasse und der Bremer Firma Pro Technic sowie deren vier Tochterunternehmen in den neuen Bundesländern zusammen. Pro Technic hatte geklagt mit dem Vorwurf, die Sparkasse sei durch ihr Geschäftsgebahren Schuld an dem Konkurs der Unternehmen und dem Verlust von 200 Arbeitsplätzen. Landgericht und – in der Revision – Oberlandesgericht hatten die Klage abgeschmettert. Jetzt wehrt sich Pro Technic über das Internet und die Dietrich Franz GmbH. Deren Geschäftsführer Friedhelm Schult war früher tätig bei Pro Technic. Ebenso wie Rechtsanwalt Bernhard Kurz.

Die Beiden betreiben dieses Internet-Gewerbe inzwischen professionell. Laut Kurz sind bald jährliche Umsätze bis zu 10 Millionen Mark anvisiert. Indem man Mitglied bei „Redefreiheit“ wird – Jahresbeitrag 250 Mark, vertritt einen die Firma bei Ärger mit Banken oder anderen Kontrahenten. An diese wird die eigene Gegendarstellung geschickt. Ziel: eine gütliche Einigung mit dem Hinweis, daß der Vorgang ansonsten im Internet landet – so geschehen jetzt im Fall Bremen. „Natürlich geht man das Risiko der Verleumdung ein“, so Kurz. „Das Eis ist dünn, aber tragfähig.“ Den Vorwurf, Querulanten zu vertreten, begegnet Kurz mit dem Argument: „Alle Urteile ergehen im Namen des Volkes. Warum sollte man diese Urteile dann in der eigenen Interpretation dem Volk nicht zugänglich machen?“

Eine Antwort darauf hat Landgerichtspräsident Berndt-Adolf Crome, der bereits gegen die bloße Ankündigung per Flugblatt, die Vorwürfe gegen die Richter zu veröffentlichen, Strafanzeige wegen Beleidigung stellte. „Ebenso werden wir jetzt auch die Vorwürfe im Internet prüfen.“ Richter Grotheer reagierte verärgert: „Die Anschuldigungen sind völliger Unsinn, zumal das Urteil in der Revision bestätigt wurde. Für mich produziert die Firma lediglich Datenmüll.“

Gelassen begegnet man der Angelegenheit bei der Sparkasse. Sprecher Hans-Joachim Genzmer sagte nur: „Wir haben bisher knapp 20 Prozesse gegen Herrn Kurz geführt und alle gewonnen.“ Da bisher keine Anzeichen für eine Rufschädigung zu erkennen seien, wolle man zunächst nicht reagieren. „Wenn dies aber irgendwann der Fall sein sollte, werden wir rechtliche Schritte einleiten.“ Genzmer hält jedoch eine solche Unterlassungsklage voraussichtlich für „müßig. Das Unternehmen muß sich nur einen anderen Internet-Provider im Ausland suchen.“

Jens Tittmann