Empfindliche Strafe für Berliner Volksverhetzer und Hertha-Frosch

■ Bremer Gericht verurteilt Fußballanhänger zu fünf Monaten auf Bewährung. Der 22jährige Mann grölte: „Ausländer raus.“

Der Angeklagte, der sich vor dem Bremer Amtsgericht wegen Volksverhetzung und Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen verantworten muß, ist sich keiner Schuld bewußt. Der Fußballfan soll im November des vergangenen Jahres in der Straßenbahn vor dem Spiel Werder Bremen gegen Hertha BSC „Ausländer raus“, „Wir bauen eine U-Bahn von Sankt Pauli bis Ausschwitz“ und „Wir hassen die Türkei“ gegrölt haben. Immer wieder schüttelt der 22jährige Berliner den Kopf. Die Polizei habe ihn damals einfach festgenommen, verteidigt er sich.

Die beiden Polizeibeamten, die den Angeklagten seinerzeit festgenommen haben, erinnern sich hingegen genau. Etwa 100 Fans seien damals mit der Straßenbahn vom Hauptbahnhof zum Weserstadion gefahren. An einer Haltestelle hätten ein paar Schwarzafrikaner gestanden. Daraufhin hätte sich die Stimmung in der Bahn regelrecht „aufgeheizt“, erzählt einer der Beamten. Mit Händen hätten die Fußballfans an die Scheiben getrommelt und „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ geschrien. Vor dem Weserstadion hätte der Angeklagte den Arm zum Kühnen-Gruß ausgestreckt. Auch ein zweiter Polizist, der die Fußballfans „in Empfang genommen und zum Stadion“ begleitet hat, erkennt den Angeklagten. „Er ist mir schon in der Straßenbahn aufgefallen, weil er vom Aussehen her gar nicht zu den Skinheads paßte, aber mitsang“, sagt der Polizist aus. Eine Verwechslung halten die Polizisten für ausgeschlossen. Insgesamt seien nur zwei Fans gezielt festgenommen worden und zwar nach mehrmaliger Ermahnung. „Ich habe nichts gerufen, und ich habe auch nichts gehört“, beteuert der Angeklagte. Den Kühnen-Gruß habe er wohl mal als Teenager gezeigt. „Seitdem interessiert mich sowas aber nicht mehr.“

Als der Richter das Vorstrafenregister verliest, rutscht der Angeklagte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Neben mehreren Diebstählen ist er unter anderem wegen Körperverletzung Volksverhetzung, Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Waffengesetz vorbestraft. „Was war denn da?“, will der Richter wissen. „So 'ne Sache in Hamburg, im Stadion“, weicht der Angeklagte aus. „Ich hatte getrunken.“

Der Richter zieht die Augenbrauen hoch. „Dann will ich ihrer Erinnerung mal auf die Sprünge helfen“, sagt er und zitiert aus dem Vorstrafenregister. Im März 1993 versammelten sich etwa 20 Jugendliche, darunter auch der Angeklagte, vor dem Asylbewerberheim in Berlin-Marzahn und brüllten: „Ausländer raus“. Einige Jugendliche waren mit Baseball-Schlägern bewaffnet und demolierten parkende Autos. Der Angeklagte schlug mit einem Chako gegen eine Straßenlaterne und grölte: „Sieg heil.“ 400 Mark Geldbuße hielt das Gericht damals für angemessen. Der Angeklagte war erst 17 Jahre alt, geständig und zeigte Reue.

Von der „Schwere her“ sei der Angriff auf das Asylbewerberheim natürlich nicht mit den Pöbeleien vor dem Fußballspiel zu vergleichen, betont der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Dem Angeklagten müsse jetzt allerdings mit einer „empfindlichen Geldstrafe“ gezeigt werden, daß „Schluß ist mit Lustig“. 1.500 Mark Geldstrafe hält er für angemessen.

Doch so billig will der Richter den Angeklagten nicht davonkommen lassen. Fünf Monate Freiheitsstrafe, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird, lautet sein Urteilsspruch. Der Angeklagte zuckt kaum merklich zusammen. „Vielleicht überrascht es Sie, daß das Urteil deutlich über dem Antrag der Staatsanwaltschaft liegt“, wendet sich der Richter an den Mann. „Aber die Mindeststrafe für Volksverhetzung liegt bei drei Monaten. So richtig begriffen haben Sie das bisher nicht. Auch wenn das nur Worte sind, können sie weitreichende Konsequenzen haben.“

Kerstin Schneider