Der neue Boß heißt Voß

Seit gestern ist Hans-Ulrich Voß (CDU) der neue Chef des Landeskriminalamtes. Er will sich besonders dem Kampf gegen das Organisierte Verbrechen widmen. Mitarbeiter der Behörde sind nicht glücklich über den Neuen  ■ Von Plutonia Plarre

Aller Anfang ist schwer. Zumal wenn der Vorgänger ein Mensch von fast übermächtigem Format war. Aber der neue Chef des Landeskriminalamtes (LKA), Hans- Ulrich Voß, ist ein Mann voller Selbstvertrauen, den der neue Job nicht bange macht: „Für mich ist das eine Herausforderung.“ Gestern wurde der der CDU angehörende 51jährige Jurist bei einer Feier von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky eingeführt.

„Ich gebe zu, in das Spitzenamt der Kriminalpolizei der Hauptstadt eingeführt zu werden, bewegt mich“, bedankte sich der frischgebackene Landeskriminalpolizeidirektor und eröffnete nach kurzer Rede das Buffet. „Nur die Streicher fehlten“, bemerkte ein Kripomann süffisant.

Bei Voß' Vorgänger, dem SPD- Mann Dieter Schenk, wäre so eine Feier undenkbar gewesen, ist man sich im LKA einig. Nach 37 Dienstjahren hatte sich „der Alte“ mit einem Trick davongestohlen, um einer Lobeshymne seiner Vorgesetzten beim offiziellen Abschied zu entgehen. Der Vollblutkriminalist Schenk hatte nie einen Hehl daraus gemacht, daß er in Fragen von Polizeitaktik und -präsenz auf den Straßen anderer Meinung als seine Vorgesetzten war. Von dem „Berliner Modell“, der verstärkten Einbindung der Schutzpolizei bei der Kriminalitätsbekämpfung, hielt er ebenso wenig wie von einer Übernahme des „Zero-tolerance“-Modells der New Yorker.

Um seinen Untergebenen ungestört ade sagen zu können, hatte Schenk eine Personalversammlung einberufen, zu der nur Mitarbeiter, nicht aber Polizeipräsident und Innensenator Zutritt haben.

Seit gestern ist Voß der Boß. Der gebürtige Berliner und Volljurist war 1975 in den Berliner Polizeidienst eingetreten. Zuvor war er Universitätsassistent für Rechtssoziologie und Kriminologie in Bielefeld. Der Absolvent der Polizeiführungsakademie Hiltrup leitete in Berlin örtliche Kriminaldienststellen und war mehrere Jahre Chef der Inspektion „Delikte am Menschen“. 1992 wurde er Dezernatsleiter für Verbrechensbekämpfung und mit der Gründung des LKA Chef des Amtes 1 und Stellvertreter von Schenk. Auch im Stab des Polizeipräsidenten und des Innensenators war Voß tätig.

Manche behaupten, Voß sei aufgrund seiner CDU-Parteizugehörigkeit nach oben gespült worden. 1992 war eine vertrauliche Beförderungsliste in der Öffentlichkeit aufgetaucht, auf der 14 Polizisten, die CDU-Mitglieder waren oder der Partei nahestanden, als Kandidaten für Führungsstellen gehandelt wurden. Auch Voß' Name befand sich darauf. Dieser ist aber überzeugt, daß er nur wegen seiner großen Fach- und Sachkenntnisse überzeugt habe.

„Ich bin ein Mann der Opferrechte und ein überzeugter Verbrechensbekämpfer. Berufsverbrecher, Rädelsführer und Intensivtäter müssen konsequent verfolgt werden“, lautet sein Credo. Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität steht bei Voß ganz oben. Der Aufbau einer eigenen Inspektion „Finanzermittlungen“ soll helfen, Verbrechensgewinne abzuschöpfen. Speziell ausgebildete Jugendsachbearbeiter sollen dazu beitragen, die Jugendkriminalität einzudämmen. Für einen „kleinen Teil“ krimineller Kinder und Jugendlicher „benötigen wir geschlossene Heime“, meint Voß. Mit Schenk stimmt er darin überein, daß „die Fortschreibung der hochspezialisierten Kriminalitätsbekämpfung die Aufgabe der Zukunft ist. Dazu brauche die Kripo eine moderne Informations- und Überwachungstechnik und mehr Personal. Im Gegensatz zu Schenk lehnt Voß das Berliner Modell nicht rundweg ab, plädiert aber für Prioritäten bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.

Aufgrund seines „guten Verhältnisses“ zum Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert geht der neue LKA-Chef von einer guten Zusammenarbeit mit der Schupo aus. Schenk setzte eher auf Konfrontation. In puncto Durchsetzungsvermögen möchte Voß seinem Vorgänger aber nicht nachstehen: „Ich setzte mich durch und bin nicht einfach, auch für Vorgesetzte.“

Im LKA scheint man über den Neuen nicht sehr glücklich zu sein. Er habe einen Hang zur Überheblichkeit und lasse nur allzugern den studierten Juristen mit Prädikatsexamen heraushängen, heißt es. Schenk sei zwar auch „ein alter Hund gewesen, der nach Gutsherrenart“ regiert habe, „aber was der sagte, hatte Hand und Fuß“. Voß wird vorgeworfen, vordergründig zwar sehr freundlich, in Wirklichkeit aber „hintenherum“ zu sein. Fähige Mitarbeiter hätten seinetwegen schon das Weite gesucht. Voß' Kommentar dazu: „Keine Stellungnahme. Das geht unter die Gürtellinie.“ Daß ihm als „Seiteneinsteiger“ der „Stallgeruch“ fehle, habe er in der Behörde schon früher zu spüren bekommen. Er komme aber mit allen Menschen gut aus.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, hält Voß zugute, daß er „mit allen politischen Parteien den Diskurs sucht und durch bedächtige Positionen zur Ausländerpolitik aufgefallen ist“. Ob es Voß gelingt, aus dem Schatten seines Vorgängers herauszutreten, wird man sehen. Seine Rede bei Schenks Abschied war vielleicht ein Indiz. „Die war ein echtes Highlight“, ist man sich im LKA einig.