Kommt 'ne Frau zum Arzt Von Fanny Müller

Gibt es eigentlich in irgendeiner europäischen oder außereuropäischen Sprache außer in der deutschen den einleitenden Satz „Kenn' Sie den...“? oder ersatzweise: „Kommt 'ne Frau zum Arzt und sagt...“? Wenn man hier nicht mit einem Trompetensolo beginnt, sodann einen dreifachen Salto macht, um anschließend zu verkünden, daß jetzt ein Witz folgt, dann geht es einem wie mir in der Post. Ich gebe ein Päckchen ab. Sagt der Postbeamte: „Sechsneunzig.“ Sage ich: „Gott, ist das teuer. Ist heute nicht der Tag, an dem Päckchen nichts kosten?“ Sagt der Postbeamte: „Nee, das ist immer der erste Donnerstag im Monat.“ So weit, so gut. Dann tippt mich aber eine Frau auf die Schulter: „Sagen Sie ma – schtümmt das würklich?“ Drei Häuser weiter gebe ich die Geschichte im Tabakladen zum besten. Sagt ein Kunde verträumt: „Also – donnerstags?“ Da habe ich's dann aufgegeben.

Vor einigen Jahren machte ich öfter bei einer Sendung im NDR mit, die hieß „Spinnstube“. Da hätte man sich ja schon denken können, was einen erwartete. Wir plauderten in einer kleinen Runde über Themen wie: „Mein Hund versteht mich nicht“ oder am Frauentag: „Wir basteln uns den Neuen Mann.“ Zwischendurch durften Hörer und Hörerinnen anrufen. In einer Sendung stellte ich eine Frau dar, die zwar furchtbar gerne in die Oper ging, aber die Musik und die Singerei nervtötend fand. Aus der Runde im Studio wurde ich gefragt, warum ich dann überhaupt die Oper besuchte, und ich erwiderte, daß ich mein neues Paillettenkleid ja nicht gut in der Pizzeria nebenan spazierenführen könnte. Ruft eine Frau an und erklärt empört, daß diese dumme Pute – das war ich – ihr Paillettenkleid doch auf St. Pauli tragen möchte. Da kann man nichts machen.

In einer anderen „Spinnstube“ wurde bekanntgegeben, daß die Grenzen Deutschlands im kommenden Oktober geschlossen würden – irgendwelche hochwissenschaftlichen Begründungen, in denen häufig das Wort „Devisen“ vorkam, mußten herhalten – die Grenzen wären also dicht und die Deutschen könnten nicht mehr verreisen. Im Studio waren wir uns einig, daß das eine klasse Idee wäre, vor allem, weil es uns Gelegenheit gab, Sätze wie „Wer kennt schon die schöne deutsche Heimat?“ und „Kein Urlaubsort, wo Vogelmord“ zu sagen. Sie können sich wohl denken, daß da alle die Leute anriefen, teils tränenüberströmt, deren Kinder im November in Australien heiraten wollten. Hinterher mußte der NDR dann irgend was machen, Dementis rausgeben oder so.

Es funktioniert aber auch andersrum: Neulich sagte ich meinem Praktikanten, der aus der Zone kommt – ja, ich habe jetzt einen Praktikanten in der Firma, das bedeutet aber gar nichts, wir sind auch nie allein, und außerdem kann man das Praktikantentum ja nicht ausmerzen, bloß weil... ist ja auch egal – jedenfalls sagte ich ihm, daß man hier zwar Steuern automatisch abgezogen kriegt, die Rente aber beantragen muß. Er wußte schon, daß ich ein Spaßvogel bin, und mußte herzlich lachen.

Übrigens habe ich KEIN Paillettenkleid, falls es einen Leserbrief dazu geben sollte. Die Grenzen werden NICHT geschlossen, außer für Urlauber aus dem Kosovo und anderswo. Und Päckchen sind jeden ersten DIENSTAG im Monat umsonst.