■ Cebit-Home
: Hannover nach den Sommerferien

Gestern ist in den Messehallen von Hannover die Messe eröffnet worden, von der niemand weiß, ob sie wirklich gebraucht wird. Sie heißt „Cebit-Home“ und soll vor allem die Kundschaft anlocken, die auf der großen Computermesse von Hannover nur stört, der Cebit, die im Frühling stattfindet: die Computerfans, die nicht einkaufen, sondern nur spielen, surfen und ein bißchen von Gigabytes und Megahertz schwärmen wollen. Ohne sie gäbe es zwar keine Computerkultur, sie haben das Internet populär gemacht, aber wenn es ums harte Geschäft geht, sind sie nur lästig. Alle zwei Jahre sollen sie auf der viertägigen Ersatzmesse am Ende der Sommerferien ruhiggestellt werden, nämlich immer dann, wenn die Internationale Funkausstellung in Berlin pausiert.

Die nunmehr zweite Cebit- Home will 1998 sogar „die PC-TV- Video-Games-Multimedia-Tele- Erlebnismesse“ schlechthin sein, So steht es auf den Plakaten und auch auf der Homepage unter www.messe.de/ch98/. Eine Achterbahn für Technobabys offenbar, die für 25 Mark einen Tag lang betreten werden kann. Wer sich zu Hause trotz PC, TV, Video und Telefon total multimedial langweilt und deshalb nach Hannover fährt, sollte unbedingt das Sonderangebot der dortigen Verkehrsbetriebe nutzen. Die „Tix“-Säulen der „üstra“ sind eine Reise wert, bargeldlos verkaufen diese Geräte eine Tageskarte für die Messe samt Fahrschein für Straßenbahn und Bus zum Preis von 15 Mark. Scheckkarte genügt, womit bewiesen ist, daß sowohl die Messe wie auch die öffentlichen Verkehrsmittel von Hannover im Alltag etwa 25 Prozent zu teuer sind.

Der offiziellen Website ist nicht zu entnehmen, daß technische Neuheiten für den Konsumentenmarkt zu erwarten sind. IBM, Microsoft und Sony, um die Größten zu nennen, zeigen, was sie schon im Frühjahr zeigten, Siemens und die Telekom testen ihre Funkverbindungen, die eine Übertragungsrate von 155 Megabit pro Sekunde schaffen, in München. In Hannover stehen nur die Werbetafeln für diese Technik, die 2.400mal schneller ist als ISDN. Bei solchen Bandbreiten wird die Fusion von Fernsehen und Internet immerhin denkbar, von der die großen Medienkonzerne bisher immer nur geträumt haben.

Nun will die Cebit-Home weniger eine Technik- als vielmehr eine Medienschau sein. Die Hauptattraktion konzentriert sich auf die Halle 18, in der eine angeblich virtuelle Welt der Zukunft installiert ist. Sie heißt „Cycosmos“ und ist so zukunftsträchtig wie der Heidepark von Soltau, der nicht allzuweit entfernt liegt. Die Hamburger Verlagsgruppe Fleet (TV-Today und Online-Today) hat mit den Technikern der angeblich in Deutschland führenden „I-D- Gruppe“ alles versammelt, was an katastrophaler Webprogrammierung überhaupt vorstellbar ist. Nicht einmal die deutschen Umlaute werden richtig dargestellt, und falls es dem Server doch noch einmal gelingt, zwischen ganzen Serien von Fehlermeldungen ein paar korrekte Bits rüberzuschicken, kommen nur uralte Hüte auf den Bildschirm: Chats, Multi- User-Räume mit Avatern und E-Mails, die auf Pager umgeleitet werden können. Sensationell, das. Mag sein, daß dieser Kontakthof ohnhin nur auf den paar Rechnern zum Laufen gebracht werden soll, die in der Halle 18 dekorativ herumstehen. Für das Internet wäre das ganz sicher das beste. niklaus@taz.de