Beachboygleich durch die Lüfte

Viel Wasser, ein kurzes Brett, ein Boot oder eine Seilbahn – das brauchen die Adepten des neuen Funsports Wakeboard, um ihre atemberaubenden Sprünge zu vollführen  ■ Von Ulrike Bohnsack

Auf einem kurzen Brett, die Füße parallel zur Fahrtrichtung, heizt Roul Radeke übers Wasser. Mit einer Hand läßt er sich von der schnurrenden Seilbahn ziehen. Leise rauscht das Wasser, perlt Millionen Tropfen, als er vorbeidüst. Dann plötzlich: Roul schießt gut vier Meter in die Höhe, macht einen Vorwärtssalto und landet locker-lässig. Weit lehnt er sich zurück, kantet das Brett und sitzt fast auf dem Wasser. Tempomachen vor dem nächsten Trick. Schon dreht Roul eine zweifache Schraube. Wie ein Flummi hopst der smarte 18jährige durch die Luft.

Der Duisburger, obwohl jung, braungebrannt, blond und das neueste Wassersport-Outfit am Leib, dreht hier nicht halsbrecherische Szenen für „Baywatch“ oder „Gegen den Wind“. Roul ist Wakeboarder, Europas Viertbester genaugenommen, und mit den Medien durchaus vertraut. Den Rummel kürzlich bei der Europameisterschaft fanden er und die anderen, meist beachboygleichen Läufer ziemlich klasse.

Hüpfer, Slalom und kleine Drehungen auf dem Wasser macht ein Wakeboarder mit links. Für die Tricks mit den Namen Air Railey, Cablescrew, Tantrum oder Mobius – andere sind von den Skatern abgekupfert – braucht man indes schon eine exzellente Körperbeherrschung. Immerhin werden die Läufer mit durchschnittlich 30 km/h übers Wasser gezogen. Hartnäckig zergelt die Leine der Seilbahn bei Sprung wie Landung. Geht ein Trick daneben, „gibt's halt ein paar blaue Flecken“, meint Roul lapidar, „bei diesem Tempo ist Wasser ganz schön hart“.

Die Füße des „Rider“ stecken in festen Bindungen, „Boots“ sagt der Wakeboarder dazu, denn die Sprache des Funsports ist natürlich Englisch. Klar auch, woher Wakeboarden kommt: Was der neueste Spaß ist, diktiert Amerika, und alles, was mit Wasser zu tun hat, entsteht für gewöhnlich in der sanften kalifornischen Brandung. In den USA boomt der Mix aus Wasserski und Wellenreiten. Dort verdienen Sportler – das Motorboot als Zugmaschine ist hier weit verbreitet – ordentlich Dollars mit den atemberaubenden Stunts in bis zu luftige fünf Meter Höhe.

Ganz so goldig sind die Zeiten für Wakeboarder hierzulande zwar noch nicht, aber das deutsche Fernsehen hat die Sommeralternative zum Brettlspaß im Schnee dankbar angenommen. Bei der Europameisterschaft in Duisburg tricksten die Wakeboarder auf 24 TV-Sendeplätzen, darunter natürlich die Kanäle, die der jungen und hippen Zielgruppe die Trends vorkauen. Nicht mehr lange also, dann dürfte Wakeboarden zu den gängigen Funsportarten gehören. Roul jedenfalls hätte nichts dagegen, wenn die Szene wachsen würde, in der Deutschlands wasserfeste Stuntmen noch den Ton in Europa angeben. Bei der EM kassierten sie jedenfalls sämtliche Medaillen ein. Wie die meisten ist Roul übers Wasserskifahren zum Wakeboarden gekommen. Kniffe, wie man Rückwärtssalti, Kopfübersprünge und Rotationen ohne Blessuren einstudiert, scheinen ein Geheimnis. „Einfach ausprobieren“, rät er. Trockenübungen sind ihm zu öde. „Einige trainieren ihre Sprungkraft am Trampolin oder machen Krafttraining. Ich mache mich mittlerweile nicht mal mehr warm.“ Roul nimmt Funsport wörtlich: „Ich trainiere, wenn ich Lust habe.“

Der Griff ins Wasser nach einem „geilen Lauf“, wie die Konkurrenz anerkennend urteilte, kostete bei der EM Edelmetall. Nun will Roul am Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften in Velten bei Berlin endlich im Luftsprung aufs Treppchen. Wie Europas Spitzentrio auszustechen ist, weiß er genau: einfach höher und aggressiver springen als die anderen.