Grüne wollen neues Endlager für Atommüll suchen

■ Die bisher geplanten Endlager für Atommüll sind ungeeignet, haben Gutachter für die Heinrich-Böll-Stiftung festgestellt. Die Entsorgung des Atommülls muß neu überdacht werden

Berlin (taz) – Schon bald könnte das Schwarze-Peter-Spiel um den Atommüll von vorne losgehen: Die Bündnisgrünen wollen einen neuen Standort für ein Endlager suchen. Denn die bisher von der Bundesregierung angepeilten Standorte in Niedersachsen – Schacht Konrad und der Salzstock in Gorleben – sind nach Ansicht der Grünen nicht als Endlager geeignet. Auch das noch zu DDR- Zeiten genehmigte Endlager in Morsleben solle wegen Sicherheitsmängeln rasch geschlossen werden. Dies geht aus einem Entsorgungsgutachten von PanGeo und der Gruppe Ökologie aus Hannover hervor, das die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegeben hat.

„Natürlich will keiner so was bei sich haben“, räumt Ursula Schönberger ein, atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Deshalb will sie die Suche nach einem neuen Endlager in Ruhe angehen. „Wichtig ist für uns der Schritt zurück: Wir wollen neu diskutieren, wie man mit dem Atommüll umgehen muß, und die Erfahrungen anderer Länder auswerten.“ Dies sei in Deutschland nie systematisch geschehen. Im Falle einer rot-grünen Koalition rechnet sie nicht damit, daß in der kommenden Legislaturperiode bereits ein neuer Ort festgelegt wird. „Die Kriterien für eine sichere Endlagerung werden zunächst die zentrale Frage sein.“

Doch offene Debatte hin oder her, auch Schönberger rechnet mit dem Widerstand der Anwohner gegen einen neuen Standort. „Es ist sicher schwer, ein neues Endlager durchzusetzen“, dies sei aber auch nicht schwerer, als „die bisherigen fertigzustellen“.

In der Studie ließ die Böll-Stiftung untersuchen, wie ein Entsorgungskonzept nach einem raschen Atomausstieg aussehen könnte. Die Gutachter schlagen vor, abgebrannte Brennstäbe direkt in den Abklingbecken und Hallen an den Atomkraftwerken zwischenzulagern und dort auch für die Lagerung vorzubereiten. Dafür sollen die bereits vorhandenen Lager ausgebaut werden. Von der kostspieligen und riskanten Wiederaufarbeitung raten die Gutachter hingegen ab. Nach 30 bis 40 Jahren sollen die Brennstäbe in ein zentrales Endlager gebracht werden, wo auch der übrige schwächer radioaktive Müll eingelagert werden soll.

Dadurch würden auch die Castor-Transporte – bislang etwa 100 im Jahr – minimiert werden. Die Gutachter gehen allerdings davon aus, daß bis zur Einrichtung der Zwischenlager bei einigen AKW Engpässe auftreten könnten, die kurzfristige weitere Transporte in die zentralen Zwischenlager Ahaus und Gorleben notwendig machten. Davon wären aber weniger als zehn Prozent der Brennelemente betroffen. Für Schönberger ist zudem klar, daß es keine Castor-Transporte geben werde, solange die Kontaminationsprobleme nicht gelöst sind.

Bislang produzierten die Atommeiler rund 160.000 Kubikmeter radioaktive Abfälle und 8.600 Tonnen Schwermetall an abgebrannten Brennstäben. Bei einem Ausstieg bis spätestens 2010 würde noch einmal soviel Strahlenmüll entstehen. Dies sei gerade noch in einem zentralen Endlager gut zu entsorgen, urteilen die Gruppe Ökologie und PanGeo. Erst wenn man die AKW noch länger betreibe, werde ein zweites Lager nötig, wie es Umweltministerin Angela Merkel bisher plant. Deshalb empfehlen sie, die Planung für Schacht Konrad sofort einzustellen, da der ohnehin für hochradioaktiven Müll nicht geeignet ist. Gegen den Salzstock Gorleben, den die Bundesregierung derzeit für ein Endlager für hochradioaktiven Müll erkunden läßt, sprechen „wichtige Sicherheitsargumente“, da abgebrannte Brennstäbe nicht gegen Grundwasser zu sichern seien. Matthias Urbach