„Die wußten vom Kontakt zum BND“

■ Der Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom über den Umgang der Journalisten mit dem BND und den Fall der „Zeit“-Herausgeberin Dönhoff

taz: Herr Schmidt-Eenboom, wenn ich als taz-Redakteur von der BND-Pressestelle Informationen erhalte, setze ich mich da schon einer Desinformationsstrategie des Geheimdienstes aus?

Erich Schmidt-Eenboom: Nein. Allerdings muß man für taz-Mitarbeiter wie für andere kritische Journalisten festhalten, daß eine offizielle Anfrage beim BND in der Regel nichts bringt.

Da sind wir doch schon beim Problem. Ohne inoffizielle Kontakte erhält ein Journalist keine Informationen.

Das sehe ich nicht so. Es geht ja nicht nur um die Berichterstattung über die Geheimdienste, sondern darum, daß der BND eine Art Journalistenholding über Agentenführer beschäftigte.

Sie beziehen sich in Ihrem Buch auf eine BND-Liste von 1970 mit sogenannten Pressesonderverbindungen. Die Kriterien scheinen schwammig. Hat da der BND einen Popanz aufgebaut?

Bei den Kategorien I (voll tragfähige, regelmäßige oder häufige Kontakte) und II (Formalkontakte, unregelmäßige Kontakte nach Bedarf) muß man von einem wissentlichen Kontakt zum BND ausgehen, zumal diese Journalisten ihre Agentenführer hatten. In allen Fällen, wo ich das nachprüfen konnte, war den Journalisten klar, daß ihnen ein BND-Abgesandter gegenübersaß. Bei den Fällen der Kategorie III (Zufallskontakte, Planung) wußten die Betroffenen das nur in Ausnahmefällen bzw. trat der BND über getarnte Pressebüros an sie heran.

Sie zitieren den Fall der Zeit- Herausgeberin Gräfin Dönhoff, die mit dem BND in Kontakt stand. Als Beweis für ihre Hofberichterstattung dienen Ihnen die Erinnerungen des BND-Präsidenten Reinhard Gehlen, der Dönhoff für ihre faire Berichterstattung lobte. Ist das nicht ein wenig dünn?

Das wäre es in der Tat, hätte mir Frau Dönhoff nicht selbst geschrieben, daß sie regelmäßig Besuch eines BND-Abgesandten bekommen hatte und auf Wunsch von Herrn Gehlen das einzige Interview anläßlich seines Dienstendes 1968 machen durfte. Dann schaut man natürlich kritisch in ihre Artikel, insbesondere zwei ganzseitige von 1963 und 1968, und stellt fest, daß Frau Dönhoff ihre unbestritten hohen journalistischen Qualitäten hat ruhen lassen. Sie lobte völlig unkritisch Gehlen als den Landedelmann mit dem Elektronenhirn und wusch den BND von einer Menge berechtigter Vorwürfe rein.

In der angloamerikanischen Literatur gibt es Literaten wie John le Carre, die ihre frühere Geheimdiensttätigkeit als patriotische Pflicht rechtfertigen.

Im Bereich der angelsächsischen Dienste ist es üblich, die Tätigkeit eines Auslandskorrespondenten für die Nachrichtenbeschaffung zu nutzen. Dagegen bin ich strikt. Nehmen Sie doch das aktuelle Beispiel Kongo. Dort wird Journalisten ihre Berichterstattung erschwert, weil die Regierung einigen Kollegen vorwirft, sie seien Spione. Das ermöglicht den Machthabern immer wieder, gegen das Korps der Auslandskorrespondenten vorzugehen, weil einige wohl für Auslandsdienste arbeiten.

Gab es eine BND-Geldliste für Journalisten?

Für die 70er Jahre kann ich das eindeutig bejahen. An der Spitze traf das August Hoppe, WDR-Politikchef, der monatlich 700 Mark steuerfrei und weiteres Geld für Unterquellen bekam. Hoppe ist ein schöner Fall für die publizistische BND-Eigensicherung. Er lud damals im WDR für eine Sendung über deutsche Nachrichtendienste seinen BND-Agentenführer und einen Historiker ein, der als erstrangige Quelle in der BND-Zentrale in Pullach geführt wurde.

Und heute?

Ich kann Fälle nachweisen, etwa den FAZ-Geheimdienstspezialisten Udo Ulfkotte, der von 1993 bis 1996 an der Heimatfront für den BND tätig war. Und der Präsident des BND, Hansjörg Geiger, hat erst im März dieses Jahres eine Weisung erteilt, wonach er sich vorbehält, über die Anwerbung von Journalisten zu entscheiden.

Wer hat Ihnen die Liste von 1970 gegeben?

Dazu nur soviel: Die Bereitschaft nach dem Ende des Kalten Krieges, so etwas aus dem Nachlaß herauszugeben, ist gewachsen.

Müssen Sie nicht ebenfalls damit rechnen, von BND-Quellen mißbraucht zu werden?

Man steht immer in der Gefahr, für Grabenkämpfe im Dienst in Anspruch genommen zu werden. Ich habe solche Hinweise allenfalls als Material für die Gegenrecherche genommen und sie nur dort verwandt, wo ich die Bestätigung der Gegenseite erhalten habe. Ansonsten wandern sie in den Papierkorb. Interview: Severin Weiland