Schauen mit den Schmuddelkindern

Independentkino vom Feinsten: Das Beta-Filmfest zeigt zumeist erfrischende und junge Filme, richtiger Mist ist nur ein Film mit Til Schweiger. Absoluter Höhepunkt des Festivals sind die Produktionen aus Asien  ■ Von Anatol Weber

Unabhängige Produktionen, fast alle noch ohne Verleih oder jegliche Aussicht, dem geneigten Zuschauer noch einmal auf der großen Leinwand geboten zu werden, stehen im Mittelpunkt des Beta-Filmfestes. Kino abseits der großen Namen, Budgets und des guten Geschmacks. Zwei Männer, die auch nach dem Sterben der Off-Kultur weiterhin ihrer Liebe am Entdecken und Präsentieren frönen, zeichnen für das Programm, das bis zum 2. 9. läuft, verantwortlich. Franz Stadler ist ein Urgestein der unabhängigen Kinobesitzer. Bereits seit den Siebzigern versucht er, Filmreihen, Retrospektiven und Festivals abseits des Ku'damm-Kommerzes im Filmkunst 66 zu etablieren. Inzwischen hat er das Repertoireprogramm an das Fernsehen verloren und den einen oder anderen Kompromiß zugunsten der Wirtschaftlichkeit eingehen müssen. Seiner Liebe zum Independentkino jedoch blieb er treu.

Andreas Döhler hat seinerzeit das Sputnik mitaufgebaut, später das Eiszeit. Hier wie auch im ebenfalls von Döhler betriebenen Central in Mitte wird noch Programmmkino gemacht. Fantasy, Horror, Trash, Underground, Filme aus Asien, alles oft nur für Liebhaber und Fans. Mehr Aufmerksamkeit bietet natürlich ein ambitioniertes und ehrgeiziges Projekt wie BerlinBeta, weswegen Stadler und Döhler beschlossen haben, gemeinsam weiterzuarbeiten.

Abgesichert durch das Filmboard Berlin-Brandenburg, das die keineswegs unerheblichen Transportkosten der Filmkopien übernommen hat. Eingebunden in eine größere und effektivere Öffentlichkeitsarbeit. Und mit der Aussicht auf ein Filmfest, das sich in den nächsten Jahren etablieren wird und in seinen Möglichkeiten noch ausbaufähig ist: Mit diesen guten Voraussetzungen haben die beiden nun ein Programm erstellt, das nicht nur ihren eigenen Vorlieben gerecht wird, sondern auch einen interessanten und kontroversen Querschnitt unabhängiger Produktionen der letzten Jahre darstellt.

Dominierend sind natürlich die US-Indies, und besonders hier ist die Spanne am größten zwischen Klasse und Schrott, zwischen Neuem und Abgestandenem. „Freeway“ und „A Gun For Jennifer“ sind zwei herrlich bösartige und blutige Geschichten. Dreckig, feige und gemein sollen Indies sein, für erfrischendes, junges Kino sollen sie stehen: wie z.B. „Dream With The Fishes“, die vollkommen unsentimentale und unfreiwillige Freundschaft zweier Todgeweihter. Der eine muß, der andere will sterben: eine feinsinnige und kraftvolle Hommage an das Leben und voller Witz inszeniert.

Es geht natürlich leider auch anders. „SLC Punks“, der dank eines Kurzgastspieles von Til Schweiger bereits einen Verleih hat, ist richtiger Mist. Die Punks haben die Authentizität der Halbstarken in den deutschen Paukerfilmen der 50er, und die Schauspieler, die diese spielen, sind überambitionierte Knallchargen, die zappeln und kreischen und in ihren Punkoutfits doch die ganze Zeit nur wie verkleidete Strassbergschüler aussehen, die brüllen: „Hollywood, hier bin ich.“

Auch die Kleinstadt-Tristesse „Normal Life“ von „Wild Things“- und „Henry“-Regisseur John McNaughton ist dröge TV-Ware, die auch Sat1 oder Pro7 nicht langweiliger produziert hätten. Sich selbst produziert hat dagegen Larry Fessenden in seinem Debüt „Habbit“. Er wird wohl der einzige sein, der sich damit eine Freude gemacht hat. Interessant für Fans des unmotivierten und verklemmten Autorenkinos.

Daß diese Tradition bei uns Gott sei dank nicht mehr gepflegt wird, beweisen die deutschen Produktionen im Programm. Allen voran „Dunckel“, die dffb- Abschlußarbeit von Lars Kraume. Was ein Banküberfall aus drei Brüdern machen kann und warum drei Filme eigentlich einer sind, das ist erfrischend und intelligent und hat das Zeug zum Publikumsliebling.

Den absoluten Höhepunkt des Festivals stellen allerdings die Produktionen aus Asien dar. Neben Takeshi Kitanos fast schon autobiographischen „Kids Return“ und Sabus abgedrehter Killerfarce „Postman Blues“, ist „Made in Hong Kong“ von Fruit Chan ein wahrer Independent-Kracher.

Der erste unabhängig produzierte Film der ehemaligen Kronkolonie nach der Übergabe an China ist ein Angriff auf eingefahrene Sehgewohnheiten. Gnadenlos, düster und desillusionierend, wie es seit Tsui Harks „Don't play with fire“ kaum ein Film gewesen ist, ist dies der brutale Abgesang einer sich selbst auffressenden industriellen Kultur. Auch die Filmbranche frißt ihre Kinder und Kindeskinder. Doch immer wieder schlägt ihr Subversion und Auflehnung entgegen, und ein Festival, das dies fördert, kann so schlecht nicht sein. Selbst wenn der Arsch bequem im Sessel liegt.

Vom 26. August bis 2. September in den Kinos Filmkunst 66, Central, Eiszeit, International und Filmtheater am Friedrichshain