Anstecknadeln für Mitarbeiter

■ Aufbruchstimmung bei SDR und SWF: Deren gemeinsamer Südwestrundfunk (SWR) kommt langsam in die Gänge, die Macher brechen auf zu neuen Ufern, die Konsumenten sind gespannt

In Stuttgart und Baden-Baden ist in diesem Jahr schon so viel Porzellan zerschmissen worden, daß man die derzeitige Aufbruchstimmung zum Südwestrundfunk (SWR) kaum glauben kann. Vor allem beim Süddeutschen Rundfunk war immer wieder gegen den selbstherrlich wirkenden Führungsstil des alten SWF- und neuen SWR-Intendanten Peter Voß protestiert worden. Vom „badischen Großkotz“ war da die Rede, der den SDR mit „Rambo- Mentalität“ übernehmen wolle; und auf den Fluren kursierten Begriffe wie „geistige Okkupation“ und „Baden-Krake“.

Während viele dieser Reaktionen ganz verständlich sind, weil das Unternehmen SWR – trotz minutiöser Planung und eines Etats von über 1,7 Milliarden Mark, der den SWR zum zweitgrößten ARD-Sender hinter dem WDR macht – natürlich ein Aufbruch ins Ungewisse ist, kritisierte die IG Medien beispielsweise bei der Besetzung der Führungspositionen nicht nur den nicht existierenden Frauenanteil, sondern auch den hohen Einfluß der CDU. Pikanterweise hat sich Günther Oettinger, Vorsitzender der CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, auch noch öffentlich damit gebrüstet, daß ohne ihn beim SWR gar nichts laufe.

Zumindest in den Redaktionen des zukünftigen SWR ist man aber offenbar gewillt, diese Diskussionen hinter sich zu lassen. Sicher herrsche jetzt nicht überall „eitel Sonnenschein“, ist zu hören; trotzdem ist gerade in den Programmabteilungen tatsächlich so etwas wie Aufbruchstimmung festzustellen. Viele verstehen den „Aufbruch ins Weltall“ (Slogan der neuen Popwelle SWR 3) tatsächlich als Aufbruch zu neuen Ufern. Anstecknadeln mit dem SWR- Logo sind unter den Mitarbeitern enorm gefragt. Die Verteilung der neuen Briefbögen mußte vorgezogen werden, weil in den Redaktionen eigene Entwürfe gebastelt worden waren.

Auch „im Land“ scheint die Stimmung umgeschlagen zu sein. Während vor allem unter den Radiohörern zunächst viele skeptisch waren, weil sie um ihre Lieblingssendung bangten, überwiegt jetzt die gespannte Erwartung. „Je populärer das Programm, desto aufgeschlossener sind die Hörer“, stellt SWF-Sprecher Arthur Landwehr fest. Das gilt vor allem für SWF 3 und SDR 3, deren Fans monatelang vehement für das Überleben der beiden fast kulthaft verehrten Popwellen eingetreten waren. Langjährige Mitarbeiter erinnert die derzeitige Aufbruchstimmung an die Anfangstage von SWF 3, wo man schon einmal – wenn auch in kleinerem Rahmen – völlig Neues wagte.

SWR 3 wird das unüberhörbarste Novum beim SWR sein. In anderen Hörfunkbereichen hatten SWF und SDR schon geraume Zeit eng kooperiert. Künftig wird es sechs Hörfunkprogramme geben, wobei SWR 1 und SWR 4 voneinander getrennt in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg produziert werden. Die anderen sind Gemeinschaftsprogramme; in SWR 3 sind regionale Fenster („Metro“) vorgesehen. Im dritten Fernsehprogramm wird es eine regionale Konzentrierung auf die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr geben, mit einer täglichen zehnminütigen Reportage zur Einstimmung. An markanten Programm- marken wie dem Verbrauchermagazin „Infomarkt“, der Talkshow „Nachtcafé“ oder der Schwarzwald-„Lindenstraße“ „Die Fallers“ ist nicht gerüttelt worden. Tilman P. Gangloff