„Das Emssperrwerk bringt uns in Gefahr“

■ Das Emssperrwerk wird gebaut. Walter Bünker war einer der ersten, die davor gewarnt haben. Daß das Millionenprojekt dem Schutz der Küste dient, glaubt er nicht

Der Ostfriese Walter Bünker (59) aus Weener ist auf der Ems großgeworden. Als Freizeitskipper kennt er Fluß und Deiche wie seine Teetasse. Der pensionierte Postbeamte ist bei Behörden als kompromißloser Aktivist im Kampf zur Erhaltung der Natur gefürchtet. Naturschutzverbände und Parteien lassen sich auf seinem Schiff seit Jahren die Ems erklären. Bünker ist Sprecher der „Dyklopers“, einer lokalen Bürgerinitiative gegen das Emssperrwerk.

taz: Offiziell soll das Sperrwerk vor Sturmflut schützen. Droht euch in Weener ohne Sperrwerk der Tod durch Ertrinken?

Walter Bünker: Blödsinn. Der Generalküstenschutzplan Niedersachsens hat bis 1997 nie ein Sperrwerk vorgesehen. Damals federführend war der Beamte, der jetzt als Leiter der Projektgruppe „Emssperrwerk“ die Karriereleiter hochgestolpert ist, Wolf-Dietmar Starke. Erst das Sperrwerk bringt uns in Gefahr. Es ist mit 7,40 Meter über normalem Wasserstand niedriger als die anliegenden Deiche. Käme eine Sturmflut, sie würde über das Bauwerk wegfegen. Wenn überhaupt, dann wäre ein Sperrwerk gegen Sturmflut an einer ganz anderen Stelle verständlich. Es müßte die Emsmündung mit einbeziehen. Das war aber zu teuer. Zu unserem Schutz reichen Deicherhöhungen an einigen Stellen. So war es auch bis 1997 geplant. Unabhängig vom Generalküstenschutzplan haben Gerhard Schröder und Bernhard Meyer 1996 das Sperrwerk ausgeguckt.

Um große Schiffe aus der Papenburger Meyer-Werft an die Küste zu schleppen, wurde die Ems ein paarmal ausgebaggert. Ein Dorn im Auge von Euch Naturschützern.

Halten wir doch mal fest: Erst die Baggerungen haben eine Überschwemmungsgefahr gebracht. Am Anfang der Sperrwerksplanung hat man uns geködert: Mit dem Sperrwerk - keine weiteren Baggerungen. Jetzt steht im Planfeststellungsbeschluß: Es darf weiter gebaggert werden. Das ruiniert die Ems und kostet die anliegenden Städte eine Menge Geld.

Immerhin, es sicherte Arbeitsplätze.

Ich kann es nicht mehr hören. Wir wollen die Arbeitsplätze. Aber bei jeder Emsvertiefung hat Meyer gesagt, jetzt baue ich keine größeren Schiffe mehr. Ein halbes Jahr später wurde weitergebaggert – weil Meyer größer baute. Jetzt kann die Ems aus Sicherheits- und Ökologiegründen nicht weiter vertieft werden. 1996 haben Gerhard Schröder und Meyer das Sperrwerk ausgekungelt. Aber eine Stauung der Ems löst nicht Meyers Problem, immer größere Schiffe 50 Kilometer weit aus dem Binnenland an die Küste zu schleppen.

Die Bezirksregierung sagt, nach dem Sperrwerk ist Schluß mit weiteren Emsbauten.

Was haben die nicht alles erzählt. Wenn das Sperrwerk in zweieinhalb Jahren fertig sein wird, ist es schon zu klein. Entweder die Ems wird begradigt oder Meyer droht, wie in der Vergangenheit, seine Werft nach Amerika, Rostock oder auf den Mond zu verlegen. Um Arbeitsplätze in Ostfriesland zu sichern, muß Meyer seine Großbauten nach Emden verlegen.

Stichwort Natur, wir haben vergessen, über das Hauptargument der Sperrwerkgegner zu sprechen.

Man darf die Ems nicht weiter quälen. Der Sauerstoffgehalt sinkt jetzt oft unter zwei Mikrogramm pro Liter. Dann sterben alle Lebewesen ab. Das verdanken wir den Emsvertiefungen. Normalerweise regeln Ebbe und Flut den Wasseraustausch in der Emsmündung, dem Dollart. Das ist das Tor zum Wattenmeer. Der Dollart ist schon die Kinderstube für viele Fischarten. Schaun Sie, Süßwasser kommt von der Ems und mischt sich mit dem Nordseewasser und umgekehrt. Sie können da nicht willkürlich Millionen Kubikmeter Süßwasser oder Salzwasser durcheinanderbringen. Das ist ein kalkulierter Kreislaufkollaps. Ganz nebenbei, alle Zuwegungen zum Sperrwerk stehen im Naturschutzgebiet Petkum oder in seinen geschützten Randzonen. Ich denke, das werden die Naturschutzverbände von den Gerichten klären lassen.

Fazit?

Ich habe mich immer gefragt, wer persönlich die Verantwortung übernimmt,wenn die Ems und der Dollart zugrunde gehen. Meyer, Gerhard Schröder, die Herren von der Bezirksregierung oder wer? Die sagen, ich spinne. Ich habe dem Projektleiter „Emssperrwerk“, Herrn Starke, dem Leiter des Planfeststellungsverfahrens, Herrn Strutthoff, und dem gesamten „Elferrat“ der Bezirks- und Landesregierung eine Narrenkappe überreicht. Dazu gibt es eigentlich nichts weiter zu sagen.

Fragen: Thomas Schumacher