Natürschützer kritisieren TBT-Notnagel

■ Bremen startet Pilotversuch, um verseuchten Häfenschlick an Land zu entsorgen

Bremens Häfenbehörde setzt jetzt im Kampf gegen TBT-verseuchten Hafenschlick auf Luft und Sonnenschein. In einem Pilotversuch sollen 100.000 Kubikmeter hoch belastetes Baggergut in Bremerhaven an Land entsorgt werden. Der Rest – 250.000 Kubikmeter angeblich nur wenig verseuchter Schlick – wird, geht es nach der Häfenbehörde, an tieferen Stellen in der Außenweser verklappt.

Ursprünglich wollte Bremens zuständiger Senator Uwe Beckmeyer die gesamte Fuhre verklappen. Eine letzte Sondergenehmigung dafür wollten aber weder Niedersachsen wegen des Nationalparks Wattenmeer noch die Wasser- und Schiffahrtsdirektion erteilen. Darum hat Bremen den Verhandlungspartnern jetzt das neue Konzept präsentiert, in der Hoffnung auf Wohlwollen zu stoßen.

Nach Angaben von Hinrich Gravert, Leiter des Hafenamtes, haben Versuche ergeben, daß sich TBT bei offener Deponierung abbaut. Unter Lichteinfall auf der Sondermülldeponie Seehausen war der Hafenschlick nach etwa drei Monaten zu 60 Prozent weniger hoch belastet, so Gravert. Das Tributylzinn verwandelt sich bei diesem Prozeß über Di- und Mono-Butylzinn in das einfache Metall.

Angesichts dieser Erkenntnisse soll der Schlamm jetzt in Bremerhaven auf der ausgewiesenen Fläche, auf der künftig ein Gewerbegebiet entstehen soll, dünn ausgebracht werden. Sollte der Pilotversuch tatsächlich klappen, könnte auf dem dann nur noch zinnhaltigen Sand einfach gebaut werden.

Mit diesem Konzept erklärt sich auch die Umweltbehörde einverstanden, so der Sprecher von Umweltsenatorin Tine Wischer, Olaf Joachim. Zu den angeblich nur leicht verseuchten 250.000 Kubikmetern Restschlamm sagte er, daß geprüft werden müsse, wie hoch der TBT-Anteil dort tatsächlich sei. „Außerdem müssen wir uns mit den Küstenländern auf einen einheitlichen Grenzwert einigen, ab dem nicht mehr verklappt wird.“ Zur Diskussion stünden derzeit 100 Mikrogramm TBT pro Kilogramm Schlick. Zusätzlich ist laut Joachim ein komplettes Baggergutkonzept Küste anvisiert.

Aus dem niedersächsischen Umweltministerium hieß es gestern nur, das neue Konzept aus Bremen wolle man unterstützen. Derzeit wird demnach geprüft, ob sich Niedersachsen mit weiteren Flächen an dem Pilotversuch – TBT-Schlick als Bausand entsorgen – mit Flächen beteiligen will. Zu dem Vorhaben 250.000 Kubikmeter leicht verseuchten Schlicks weiterhin in die Weser oder die Nordsee zu kippen, hielt man sich in Hannover bedeckt. „Eine Genehmigung erteilen wir nur, wenn negative Auswirkungen auf den Nationalpark Wattenmeer auszuschließen sind“, so Eva-Maria Rexing, Sprecherin im Umweltministerium.

Die Umweltstiftung WWF kritisierte den neuen Plan als „absolut enttäuschend“. Wenn Bremen mit dem Hafenschlickproblem nicht fertig werde, müsse es notfalls Niedersachsen um Deponieflächen an Land bitten, forderte WWF-Sprecher Holger Wesemüller. Die weitere Verklappung des mit TBT verseuchten Schlicks auf See sei ein „umweltpolitischer Skandal“. Auch die Aktionskonferenz Nordsee (AKN) und der BUND zeigten sich enttäuscht. Das neue Vorhaben sei nichts anderes als ein „fauler Kompromiß“, so die AKN. Alle drei Verbände fordern, keinen einzigen Kubikmeter TBT-Schlick mehr in der Weser oder der Nordsee zu verklappen. Zu dem anvisierten Richtwert von 100 Mikrogramm TBT pro Kilo Schlick hieß es: „Dieser wert ist immer noch extrem hoch und nicht tolerierbar. Aus guten Gründen wird in internationalen Meeresschutzgremien ein Grenzwert von unter zehn Mikrogramm diskutiert.“ Der BUND weist zudem darauf hin, daß in diesem Herbst ohnehin nicht mehr verklappt werden kann, weil die Genehmigungsverfahren zu langwierig wären. Vor diesem Hintergrund bilanziert Sprecher Martin Rode: „Bremen kann auf eine Verklappung sehr wohl verzichten, möchte aber Entsorgungskosten sparen und lieber das Meer als Sondermüllkippe mißbrauchen.“ Diese Kosten beziffert die Häfenbehörde auf 22,4 Millionen Mark. Die Umweltbehörde verweist darauf, daß dies die Maximalkosten sind, wenn alle 350.000 Kubikmeter an Land deponiert würden. Jens Tittmann