Eine schaurig-schöne Alpenschau

■ Idyll zwischen Transitstrecken und Tirolerchic. Eine Buchbesprechung zum Alpenhorror

Alpengefühl ade. Auf dem „Dachgarten Europas“, so eine der liebenswerten Charakterisierungen der Bergwelt, ist es ziemlich ungemütlich geworden. Sie ist möbliert mit Kraftwerken und Skitrassen, mit lärmenden Transitstrecken und mit Wohnsitzen im uniformen Tirolerchic, und sie ist stark ramponiert. Wer hier mit dem Fotoapparat unterwegs ist, dem gehen die klassischen, heimatseligen Motive aus. „Im Sucherausschnitt trennten die Idylle oft nur Millimeter vom Horror. Leider ist es nicht umgekehrt so“, meint der Fotograf Wolfgang Zängl.

„Schöne neue Alpen. Eine Ortsbesichtigung“ ist das Buch zu einer gleichnamigen Ausstellung im Münchener Stadtmuseum. Es ist das jüngste einer Reihe erfolgreicher Projekte der Münchener Gesellschaft für ökologische Forschung und des Raben-Verlags, mit denen über Umwelt aufgeklärt wird. Beispielsweise mit „Grün kaputt“ und „Alptraum Auto“, die zu Standardwerken für Naturliebhaber wurden. Das Alpenthema ist auf die bewährte Weise griffig aufbereitet. Unter den Stichworten „Umbau“ und „Neubau der Alpen“ werden die Veränderungen am „Rohstoff“ Bergwelt dokumentiert. Herausgekommen ist eine schaurig-schöne Alpenschau in 530 Farbfotos, die von der aussterbenden Bergbauernwirtschaft bis hin zum grellsten Aberwitz moderner Ökonomie das Alpendasein ablichtet. In den 50 Aufsätzen, die den zweiten Teil des Buches ausmachen, geht es um Hintergrundinformationen, vor allem zu den zentralen Verursachern des „Umbaus“: Tourismus, Energieinteressen und Transitbedarf zwischen Nord- und Südeuropa. Ein besonderer Pluspunkt dieses Buches: Es thematisert auch die Alpenpolitik. Denn innerhalb der Bevölkerung ist das politische Interesse gewachsen, den Lebensraum Alpen als eine gestalterische Zukunftsaufgabe zu verstehen. Und zwar im Sinne eines grenzübergreifenden, „nachhaltigen“ Prozesses. Mit der „Alpenkonvention“ von 1995 (Übereinkommen zum Schutz der Alpen) haben sich die acht Alpenstaaten nach zähem Engagement von NGOs zwar das entsprechende Instrumentarium gegeben. Leider herrscht über seine Realisierung noch längst keine Einigkeit.

Das Buch macht diese neuen politischen Strategien plausibel. Man sieht ja selbst: Die Bergwelt hat neue Konzepte dringend nötig. Christel Burghoff

Hamberger, Baumeister, Erlacher und Zängl (Hrsg.): „Schöne neue Alpen. Eine Ortsbesichtigung“, München 1998, 44 Mark (38 Mark Ausstellungspreis). Begleitbuch zur Ausstellung (noch bis zum 4. Oktober im Münchener Stadtmuseum)