■ Querspalte
: Vermischtes aus Berlin

Der Sommer geht. Der Herbst kommt. Von den Hauptstadtbäumen fallen bald 16.000 Lkw-Ladungen Laub. Wer jetzt nicht in den Urlaub fährt, fährt nimmermehr. Angenehm melancholisch unternimmt man Spaziergänge durch den heimischen „Kiez“, wie man hier so sagt, und studiert die Zeitungen, deren Meldungen sich irgendwie dann ergänzen, weil man sich grad so herbstlich fühlt: „Dänische Frauen wollen ,ein heißes Wochenende‘ am liebsten mit einem Narkosearzt verbringen, bevorzugen vor dem Traualtar aber den Facharzt für innere Medizin“, berichtet der Tagesspiegel, „Samenspender belagern Berlinerin (72)“, „Rums – der Kanzler spricht ein Machtwort“ jubelt Bild; „Verfluchter Schulweg – Erster Berliner Schüler (12) totgefahren“ freut sich die B.Z. Kanzler Kohl trägt wie immer eine Krawatte mit Zirkuselefanten, weil er ein „Kampfelefant“ sei, und „Joschka Fischer ist bei einer Veranstaltung im Berliner Prater aus einem Meter Entfernung mit zwei Eiern beworfen worden“. Manche denken, daß der Altkommunarde und Aktionspolitologe Dieter Kunzelmann, der angeblich zu Ostern verschied, vielleicht doch noch lebt. „Der ist echt crazy“, erzählt der Hanfaktivist Mathias Bröckers. „Letztes Mal hab' ich ihn auf dem Bouleplatz gesehen. Er kam gerade mit dem Fahrrad aus Neukölln; fährt da so einmal über den Bouleplatz, tritt den Leuten in die Kugeln, macht hä, hä, hä und fährt weiter.“ Das stimmt einen dann wehmütig, und man wünscht sich fast, daß Kunzelmann auch bei einem selbst mal vorbeischauen würde und mit einem meckernden „Hä, hä!“ auf den Lippen den Schreibtisch meinetwegen leerfegen würde. Zur Hanfparade am Samstag, die Bröckers mitorganisiert, werden über 100.000 Leute erwartet. Während die CDU die Love Parade immer gern unterstützte, hat Bausenator Jürgen Klemann (CDU) der geplanten Abschlußkundgebung die Genehmigung entzogen, weil es sich um eine kommerzielle Veranstaltung handle. Eigentlich paßt Sherry besser zum Herbst als Hanf. Detlef Kuhlbrodt