"Focus" verliert in Karlsruhe

■ Bundesverfassungsgericht urteilte: Das Nachrichtenmagazin durfte eine Gegendarstellung zu Vorwürfen gegen kritische Wehrmachtsausstellung nicht ablehnen. Streit um Bildnachweis

Freiburg (taz) – Das Nachrichtenmagazin Focus muß voraussichtlich eine Gegendarstellung zu seiner Berichterstattung über die Wehrmachtausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung drucken. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem gestern bekanntgemachten Beschluß.

Die Ausstellung über die „Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“ hatte im Vorjahr für heftige Diskussionen gesorgt. Das Nachrichtenmagazin Focus stellte sich dabei an die Seite konservativer Kreise und versuchte dem Ausstellungsleiter Hannes Heer unseriöses Vorgehen nachzuweisen. Umstritten war insbesondere ein Foto, das in der Ausstellung mit der Bildunterschrift „Juden werden exekutiert“ zu sehen war (taz vom 16.4. 1997). Hier waren Zweifel aufgetaucht, ob es sich tatsächlich um eine Exekutionsszene handelt.

Anfang des Jahres entfernte Hannes Heer das Foto, das aus dem Ludwigsburger NS-Verbrecher-Archiv stammt, aus der Ausstellung. Heer betonte aber, daß das Foto in der Ludwigsburger Kartei mit einem „ähnlichen“ Begleittext versehen war. Er bezog sich dabei auf einen Text, der auf einem Karton zwischen der Vorlage des Ausstellungsfotos und einem anderen Foto steht. Focus schrieb darüber: „Heer (...) lügt und fälscht selbst in der Begründung für den Bildwechsel (...). Das Foto (...) ist dort ohne jeden Hinweis archiviert.“

Als der Historiker eine Gegendarstellung verlangte, schaltete Focus auf stur und hatte damit auch bei den bayerischen Gerichten Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) München wies den Antrag auf Gegendarstellung mit der Begründung ab, die Focus-Formulierung sei keine Tatsachenbehauptung, sondern eine persönliche Meinungsäußerung und deshalb nicht gegendarstellungsfähig.

Das Verfassungsgericht stellte nun aber klar, daß die Focus-Äußerung eindeutig als Tatsachenäußerung zu bewerten sei, denn im Prinzip ist sie „dem Beweis zugänglich“. Wie die Prüfung der Karteikarte durch Sachverständige dann ausfalle, sei eine andere Frage, so Karlsruhe. Das OLG hat nach dem Beschluß der Kammer das Persönlichkeitsrecht Heers verletzt. Nach dieser Vorgabe wird Hannes Heer nun wohl gegen den Vorwurf, er habe die Bildunterschrift quasi frei erfunden, vorgehen können. Die endgültige Entscheidung bleibt aber dem Oberlandesgericht München überlassen.

Focus verwies in München auf die noch ausstehende neue Entscheidung des Oberlandesgerichts. Es wäre verfrüht, „von Sieg oder Niederlage zu sprechen“ (Az.: 1 BvR 135/98). Christian Rath