Lahme Profis wecken trügerische Hoffungen

■ Mit Routine und Kondition setzt sich der VfB Stuttgart gegen Lübecks Amateure durch

Lübeck (taz) – Bereits nach zwei Minuten war alles entschieden: Sreto Ristic nahm eine Flanke und schob den Ball Torhüter Frank Böse durch die Beine und ins Tor. Allen mußte klar sein, daß der VfB Lübeck nicht Pokal-Geschichte schreiben würde. Daß der VfB aus Stuttgart souverän siegen würde. Daran änderte auch der Ausgleichtreffer nichts oder die rote Karte gegen Jonathan Akpoborie, der vom Platz mußte, weil er seinem Gegenspieler einen tüchtigen Tritt gegen das Schienbein verpaßte. Die Schwaben hielten sich an die Taktik, die sich im DFB-Pokal immer mehr durchsetzt, wenn ein Bundesligist bei einer Amateurmannschaft antreten muß: Der vermeintliche Favorit setzt nichts daran, das Spiel durch eigene Kreativität für sich zu entscheiden. Er wartet statt dessen einfach darauf, daß der, selbstverständlich aufopferungsvoll kämpfende, Underdog sich müde gerannt hat und einen Fehler macht.

So auch am Samstag im Stadion auf der Lohmühle. „Wir haben eine gute Mannschaft, wir haben Super-Fans“, schwor der Dirigent der Lübecker, Ex-St.-Pauli-Profi Oliver Schweißing, vor dem Match seine Kollegen ein, „wir können es schaffen.“ Auch Mittelfeldspieler Wilken Harf kannte die Strategie genau: „Wenn jeder für den anderen läuft, wir toll kämpfen und ein bißchen Glück haben, ist alles möglich.“ Eben nicht. Gegen die taktische und vor allem konditionelle Überlegenheit der Stuttgarter war genau das der Fehler. Die ließen die Lübecker anrennen und erspielten sich selbst kaum Torchancen, solange jeder Spieler des Bundesligisten doppelt abgedeckt wurde. Diese Laufarbeit kostete die Marzipanstädter soviel Kraft, daß im entscheidenden Moment die Konzentration fehlte. Im eigenen Strafraum konnte Yildirim eine harmlose Flanke nicht annehmen, der Querschläger sprang Lisztes vor die Füße. Strammer Schuß, 2:1, Spiel endgültig entschieden.

So konnte auch Winfried Schäfer für seine Verhältnisse auf der Bank ganz ruhig bleiben. Ein-, zweimal sprang er auf und gestikulierte heftig, aber dem Trainer war klar, daß selbst ein weiterer Ausgleichstreffer sein Team nicht ernsthaft gefährdet hätte. Spätestens in der Verlängerung wäre der Einbruch der Norddeutschen sicher gekommen.

Natürlich gibt es immer wieder Pokalüberraschungen. Aber sie werden seltener. Cleverer, aber unattraktiver Fuball verhindert meist, daß sich der schwächere Verein durchsetzt. Der Auslosungsmodus, der dafür sorgen soll, daß Bundesligisten sich nicht vorzeitig gegenseitig aus dem Wettbewerb werfen, bewirkt, daß schon in der zweiten Runde nur noch sehr wenige Amateurmannschaften übrig sind. Der DFB-Pokal soll dadurch attraktiv für das Fernsehen und lukrativ bleiben. Dabei sind es gerade die Duelle Profi gegen Amateur, die den Wettbewerb interessant machen. Doch in der Form, wie sich der Kampf um den Cup im Moment präsentiert, ist er langweilig. Auch wenn die Lübecker Fans vor Aufregung fast geplatzt wären. Sie werden davon reden, daß der kleine dem großen VfB fast ein Bein gestellt hätte. Aber, wie gesagt, sie täuschen sich. Eberhard Spohd

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Verlaat, Legat (46. Zeyer), Berthold, Djordjevic (62. Lisztes) – Thiam, Soldo, Poschner, Balakow – Ristic (78. Blessin), Akpoborie

Zuschauer: 13.000; Tore: 0:1 Ristic (2.), 1:1 Kullig (33.), 1:2 Lisztes (63.)

Rote Karte: Akpoborie (49.) wegen Tätlichkeit

VfB Lübeck: Böse – Heemsoth, Gundel, Mazeikis (85. Mbassa-Kone) – Yildirim (70. Bremser), Harf, Schweißing, Kullig, Riegel (52. Hirschlein) – Wehlage, Bärwolf