Planwirtschaft weit unter Weltniveau

Anders als die meisten Industriestaaten hat Deutschland keinen Umweltplan, der verbindliche Öko-Ziele der Regierung festlegt. Eine Tagung verglich den deutschen Weg mit anderen Erfahrungen in aller Welt  ■ Von Bernhard Pötter

Von Plänen hält Umweltministerin Angela Merkel (CDU) gar nichts. Schließlich habe sie als Ostdeutsche lange genug „Planwirtschaft genossen“. Deshalb gibt es in Deutschland auch keinen „Umweltplan“ wie in 80 Prozent der Industrieländer, mit dem die Regierung ihre umweltpolitischen Ziele und den Weg dorthin festlegt.

„Wir haben viele Richtlinien, aber keine Strategie“, war denn auch der Vorwurf, den Ralf Fücks, Vorstandsmitglied der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, am Wochenende erhob. Auf der Veranstaltung „Strategien der Nachhaltigkeit“ stellte die Stiftung vor etwa 200 Teilnehmern zusammen mit der Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin die Musterländer in der Umweltplanung vor.

Solche Planung müsse die Entwicklung umdrehen, daß es beim Umweltschutz „hochpräzise Instrumente, aber nur vage Ziele“ gebe, so der Berliner Politikwissenschaftler Martin Jänicke. Ein Umweltplan definiere konkrete Öko-Ziele mit einem konkreten Zeitplan, schaffe gesetzliche Grundlagen, verpflichte alle Ressorts zur Mitarbeit und mache Umweltschutz zur „Querschnittsaufgabe“ der Regierung. Bei dieser Umsetzung der „lokalen Agenda 21“ habe Deutschland „seine Spitzenstellung bei der Umweltplanung längst verloren“.

Vorreiter sind dagegen Länder wie die Niederlande. Seit 1989 will die Regierung dort mit bisher vier Umweltplänen vom „Beseitigen der Öko-Probleme zum Umwelt- Management“ gelangen, wie Felix Luitwieler vom niederländischen Umweltministerium sagte. 200 Ziele wurden genannt, Gesetze und Vereinbarungen mit der Industrie geschaffen und der Erfolg kontrolliert. Das Ergebnis: Massive Rückgänge beim FCKW- Verbrauch und bei der Emission von Schwefeldioxid, eine Recyclingquote von 72 Prozent — aber trotzdem „kaum positive Wirkung auf die Umweltsituation“, so Luitwieler. Denn der Zuwachs an Bevölkerung und Verkehr fresse die Verbesserungen durch mehr CO2, Schadstoffe und Lärm wieder auf. Die Optionen für den nächsten Umweltplan sind daher drastisch: Tempolimit von 100 Stundenkilometern, Erhöhung der Benzinsteuer um 50 Prozent, grüner Strom für öffentlichen Bedarf — insgesamt Investitionen von knapp einer Milliarde Mark pro Jahr.

Ebenfalls gut im Rennen liegt Schweden. Laut Parlamentsbeschluß seien die „heutigen Umweltprobleme bis 2025 zu lösen“, berichtete Jon Kahn vom schwedischen Umweltministerium. Die Regierung habe 93 Maßnahmen entwickelt, um Ziele wie „ungiftige Umwelt“ oder „Schutz der Ozonschicht“ durchzusetzen. Nun müsse man noch alle Akteure wie Industrie, Verbraucher und Kommunen für dieses Ziel zusammenbekommen.

Die plangewohnten Länder Südkorea und Japan können ebenfalls auf Umweltvorgaben verweisen. Zu jeder der 42 Agenda-21- Verpflichtungen habe die Regierung Gesetze verabschiedet, doch der Effekt sei schwer nachzuprüfen, hieß es zu SÜdkorea. Doch bei einer bisher boomenden Wirtschaft wäre „ohne die Pläne alles noch viel schlimmer gewesen“, so Jänicke. Auch Japan hat umfangreiche Pläne veröffentlicht. Nur: Sie sind nicht verpflichtend.

Das Fehlen eines deutschen Umweltplans rechtfertigte Barbara Schuster vom Bonner Umweltministerium: Man habe seit 1996 viele Organisationen beteiligt und den Entwurf eines „Schwerpunktprogramms Nachhaltige Entwicklung“ erarbeitet. In der Tat wird dort etwa die Verringerung des Flächenfraßes, des Verkehrs und des Ausstoßes von Klimagasen gefordert. „Über diese Vorgaben wollen wir jetzt mit Industrie und Verwaltungen verhandeln“, so Schuster. Was dem Schwerpunktprogramm im Gegensatz zu einem Umweltplan aber fehlt, ist politischer Rückhalt im Kabinett Kohl. Wie, mit wem und vor allem gegen wen die Forderungen nach Nachhaltigkeit durchzusetzen sind, steht nicht darin.