Justitia wartet auf die ersten Zahlungsverweigerer

■ In Baden-Württemberg klagen jetzt „Langzeitstudierende“ gegen 1.000 Mark Studiengebühr pro Semester. Was passiert, wenn eine rot-grüne Bundesregierung Studiengebühren verbietet?

Berlin (taz) – Dem stärksten Anhänger von Studiengebühren steht die Bewährungsprobe bevor. Klaus von Trotha (CDU) hat als einziger Wissenschaftsminister der Republik das bezahlte Studium tatsächlich eingeführt. An den Hochschulen im Südwesten müssen sogenannte Langzeitstudenten 1.000 Mark je Semester bezahlen. Die ersten von ihnen beschreiten jetzt den Rechtsweg.

Es trifft freilich nicht nur Studierende, die Seminare schwänzen oder ihr Examen vertrödeln. „Es ist praktisch unmöglich, die Regelstudienzeit einzuhalten“, berichtet der Vorsitzende der Karlsruher Studentenvertretung, Kevin Reddig. Der 23jährige Student verweist auf fehlende Plätze in Seminaren, moniert überfüllte Hörsäle und unkoordinierte Prüfungstermine. In Baden-Württemberg trifft es 23.000 – ein Zehntel aller Studierenden des Bundeslandes.

Eine von ihnen ist Bettina Meier (Name von der Redaktion geändert), die in den Augen der Gebührengegner ein Beispiel für die Ungerechtigkeit der Gebühren darstellt. Sie hatte mit einem Lehrerinnenstudium für die Fächer Mathematik und Sport begonnen. Dann verletzte sie sich am Rückgrat, und ihr Berufsziel war dahin. Die 27jährige wechselte ins Fach Bauingenieurswesen, mit einem ärztlichen Attest und dem Segen des Bafög-Amtes. Weil die kurz vorm Examen stehende Studentin nun aber bereits im 17. Semester studiert, schickte ihr die Uni eine Zahlungsaufforderung zu. Die vier Semester unverschuldeter Studienverzögerung erkennt die Hochschulverwaltung nicht an. „Ich finde es unfair, daß ich dafür bezahlen soll, daß ich vor sechs Jahren krank wurde“, sagt Meier nun.

Den Klageweg beschreiten nicht alle der zur Kasse Gebetenen. „Es läuft ziemlich langsam an hier“, sagt Studentenvertreter Helmut Springer von der Uni Stuttgart, wo 3.500 Studierende eine Zahlungsaufforderung erhalten haben. Die Studentenvertreter weisen daher vorsorglich darauf hin, daß sein Geld nur zurückbekommt, wer sich gegen die Gebühren wehrt.

Die erste Klage hat ein Student der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe eingereicht, unterstützt von den Studentenvertretungen in der badische Stadt. Deren Argumentation wird sich auf die Unvereinbarkeit von Studiengebühren mit dem Grundgesetz stützen. „Das verfassungsmäßige Recht auf die freie Berufswahl ist beschnitten“, meint Kevin Reddig. Und auch die Gleichmäßigkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik sieht Reddig verletzt. Die Gegner von Studiengebühren befürchten nämlich, daß die Studenten aus gebührenerhebenden Bundesländern wie Baden-Württemberg fliehen werden – und damit die Studienbedingungen in den anderen Ländern weiter verschlechtern.

In der Diskussion um das Hochschulrahmengesetz setzte sich die Regierungskoalition nach langem Ringen durch: Die Erhebung von Studiengebühren ist in Deutschland nicht verboten. Die SPD hat aber bereits angekündigt, bei einem Wahlsieg das Erheben von Gebühren zu untersagen. Dann hätte das südwestliche Bundesland zwei Probleme: Es müßte die Gebühren aus seinem Universitätsgesetz streichen; und es hätte die heikle Aufgabe, die Studiengebühren zurückzuzahlen, die es gerade eintreibt. Viele Studentenvertreter fordern daher, die Gebühren auszusetzen, bis mit der Bundestagswahl im September klar ist, ob das bezahlte Studium gesetzlich untersagt wird.

In Baden-Württemberg fühlt man sich indes auf der sicheren Seite. Anders als bei den Einschreibegebühren von 100 Mark, die der Verwaltungsgerichtshof vor wenigen Wochen für gesetzeswidrig erklärte, sollen die Studiengebühren von 1.000 Mark den Hochschulen zugute kommen. So ist es gesetzlich festgelegt.

Der Clou der Einnahmen ist allerdings ein anderer. Universitäten, die viele Langzeitstudenten und damit ein hohes Gebührenaufkommen haben, „werden von dem eingenommenen Geld nur sehr wenig wiedersehen“, sagt Volker Haug vom Wissenschaftsministerium in Stuttgart. Die Mittel sollen nämlich leistungsbezogen vergeben werden – also an jene Hochschulen, die kaum Langzeitstudenten haben. Christian Füller