Zur Einkehr
: Mit klein Fredo und groß Kalle in der Bundeshauptstadt

■ Wie die bremische Landesvertretung auf dem Gendarmenmarkt mitten in Berlin-Mitte bremische Interessen vertreten hat

Der Lastwagenfahrer des Bremerhavener Autoimporteurs E. H. Harms heißt Kalle. Der Fahrer des roten Doppeldeckerbusses vom Airport Bremen heißt Fredo. Fredo hat ein kleineres Schild auf dem Armaturenbrett als Kalle. Klein Fredo und groß Kalle waren am Wochenende zusammen aufm Berliner Gendarmenmarkt, um den Diepgens, Thierses und Krawulkes zu zeigen, daß Bremer mehr können als Lkw fahren.

Deshalb haben sie allerlei mitgebracht. Unter anderem: Ein Dutzend weiße Zelte im Pagodenstil, eine Tiegeldruckmaschine, ein sogenanntes Spiegelzelt, das Boot „Doris von der Ochtum“, Zapfanlagen für Beck's Bier, die Comedian Harmonists, ein Bild vom Fallturm, die Bremer Stadtmusikanten, Lachs im Bierteig (von Frosta), eine lila Kuh (Rückenhöhe ca. 1,50 Meter), ein Film vom Broadway-Musical „Jekyll & Hyde“ und Bratwurst von Könecke. Die kostet drei Mark – dazu wird Ketchup oder Senf und ein Brötchen gereicht. Das ist für die Verhältnisse mitten in Berlin-Mitte durchaus fair.

Trotzdem laufen neben Touristen und Berlinern auch Miesepeter und böse Wichte, echte Bremer also, zwischen den Zelten herum. Sie schauen drein wie beim Winzerfest auf dem Marktplatz, halten sich die Hand vor den Mund und flüstern das bremische Wort „piefig“. Oder den Satz: „Alles ein bischen piefig hier“. Oder den Satz: „Ich bin entsetzt.“ Frau Krawulke aber schaut drein wie bei den Bremen-Tagen auf dem Gendarmenmarkt und ist gegen Miesepeter immun. Das Wort „piefig“ versteht se sowieso nich. Als sie am frühen Samstag abend über den Gendarmenmarkt spaziert, sagt sie: „Das ham se alles ganz nett gemacht. Aber die machen ja schon zu.“

Das ist wahr: Wein, Beck's Bier und Lachs-Brötchen sind ab sieben Uhr nicht mehr zu haben, weil die Stände schließen. Auch Jacobs Kaffee packt schon ein. Offen ist jedoch die Open-Air-Bühne, auf der laut Programm die Bremer Swing Society auftreten soll. Die soll laut Programm aber gleichzeitig im Spiegelzelt auftreten. Das unbeständige Wetter löst das schier unlösbare Problem. Die Open-Air-Bühne ist verwaist und aus dem Zelt, in das Prominente aus aller Welt (unter anderen: Ex-Bürgermeiser Klaus Wedemeier und Ex-Bürgermeister-Kandidat Hans-Helmut Euler nebst Begleiterinnen) huschen, schallt Swing-Musik. Doch am Eingang hängt ein Schild „Geschlossene Gesellschaft“. Zu diesem Thema führten wir folgendes Gespräch:

taz: Für wen ist die Gesellschaft geschlossen?

Türsteher: Wie bitte?

Wer ist die geschlossene Gesellschaft?

Das sind die Brandenburgischen Sommerkonzerte.

Und die haben mit den Bremen-Tagen nichts zu tun?

Das ist eine gemeinsame Veranstaltung der Brandenburgischen Sommerkonzerte und der bremischen Landesvertretung.

Und bei gutem Wetter hätte das auf der Open-Air-Bühne stattgefunden?

Nein, auch bei gutem Wetter hätte das im Zelt stattgefunden.

Und wer darf da rein?

Das Publikum der Brandenburgischen Sommerkonzerte.

Und das hat bei den Brandenburgischen Sommerkonzerten Karten gekauft?

Nein, nicht alle Besucher der Brandenburgischen Sommerkonzerte kommen hier rein.

Wer kommt denn rein?

Einige Besucher der Brandenburgischen Sommerkonzerte und Gäste der bremischen Landesvertretung.

Auch Kalle und Fredo?

Wie bitte?

Wir danken für dieses Gespräch. ck

P.S.: Ungesicherten Informationen zufolge waren Fredo und Kalle an der Hiroshimastraße/Ecke Landwehrkanal. Dort baut das Land Bremen für rund 35 Millionen Mark eine Landesvertretung mit ockerfarbenen Blendplatten an der Fassade.