„Für Bremen immer ein guter Partner“

■ SPD-Kandidat Gerhard Schröder steht zum Bundesland Bremen / Kanzlerdämmerung mit wenig Inhalten vor 3.000 bis 4.000 BremerInnen auf dem Marktplatz / Motto: „Wir sind bereit.“

Der Mann mit dem kleinen Pekinesen im Arm schüttelt den Kopf. „So viel Aufhebens um einen Politiker. Das ist doch vollkommen überflüssig.“ Sagt's und zieht von dannen. Im Gegensatz zu 3.000 bis 4.000 anderen BremerInnen laut Polizei. Einer davon ist Klaus Bröcheler. Er will sich mal über „die Zukunft informieren“.

Gestern nachmittag hat die Zukunft zunächst einmal „die neue Mitte“ auf den Bremer Marktplatz verfrachtet. Zumindest wenn man den gigantischen Lettern im Hintergrund der SPD-Bühne Glauben schenken darf. Unter Dutzenden Scheinwerfern und zwischen meterhohen Lautsprechertürmen steht bereits seit dem frühen Vormittag das Rednerpult für den Stargast. Bereit für ein Medien-Spektakel.

Angesagt hat sich der SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder. Was er zu sagen hat, daß lockt immerhin besagte 3.000 bis 4.000 BremerInnen auf den Marktplatz vor der Bürgerschaft. Eingestimmt werden sie von Bremens SPD-Parteivorsitzendem Detlef Albers: „Echtes Kanzlerwetter haben wir hier in Bremen.“ Dementsprechend begrüßt er bei herrlichem Sonnenschein den seiner Meinung nach künftigen Kanzler der Republik, Gerhard Schröder.

Danach beginnt eine perfekt einstudierte Inszenierung. Die Leute auf dem Marktplatz wollen die Show. Sie feiern das Neue nach 16 Jahren Kohl – SPD-AnhängerInnen fast ausschließlich unter sich. Schröder kann sich darum des Jubels der Massen recht sicher sein. Nur vereinzelte Pfiffe, ein Plakat, Aufschrift: „Affenschande in Bremen. Die SPD sagt Ja.“ Doch diese kleinen Ausfälle sind schnell vergessen. Nach ersten Versprechern redet sich der Kandidat in Rage. Jedes Argument wird mit klaren Gesten unterstrichen. Mal steht er vor seinen AnhängerInnen gerade, mal lehnt er selbstbewußt auf dem Rednerpult. Gerhard Schröder weiß, wie man die Massen anspricht und macht davon Gebrauch.

Doch gerade dies verdeutlicht die zunehmende Politikferne der ZuschauerInnen. Stimmt die Show nicht mehr, sackt das Interesse ab. Relativ gelassen hören ihm die BremerInnen zu. Um so lauter dann der Beifall, wenn Schröder aufdreht. Die Entscheidung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werde eine SPD-Regierung zurücknehmen. „Die Bevölkerung wird dadurch gespalten.“ Donnernder Applaus. Ruhe über dem Marktplatz herrscht dann wieder, wenn Schröder von sozialer Gerechtigkeit spricht. Erneute Zustimmung gibt's erst, als der Kandidat verspricht, konkret ein Bündnis für Arbeit in den ersten drei Monaten nach der Wahl umzusetzen, um so die Arbeitslosigkeit zu senken.

Auf diese Art spult Gerhard Schröder in rund 30 Minuten sein bekanntes Wahlprogramm herunter. Da ist viel von „Wirtschaftskraft stärken“, „Innovationen“ oder „die Kaufkraft steigern“ die Rede. Das ist aber alles bekannt: Die Senkung des Rentenniveaus von 70 auf 64 Prozent wird rückgängig gemacht. Viel Raum widmet Schröder der großen Steuerreform und dem Bündnis für Arbeit. Es fehlt auch nicht der Abgesang auf Helmut Kohl. „Danke Helmut, jetzt reicht's“, so Schröder.

Danke Gerhard, jetzt reicht's, mögen sich dann auch einige auf dem Marktplatz gedacht haben. Zumal das von Detlef Albers begrüßte Kanzlerwetter hinter Wolken verschwand. Mit bravem Jubel verabschiedete Bremen den SPDKanzlerkandidaten und zog von dannen. Von großartiger Aufregung keine Spur. Schröder zieht die Massen. Er hinterläßt dann aber wiederum ein Vakuum, das zumindest in diesem Bundestagswahlkampf wohl nicht mehr gefüllt werden wird.

Immerhin hatte sich der Kandidat vor seinem Auftritt auf dem Marktplatz noch zu Kaffee und Kuchen mit der Bremer SPD-Spitze im Ratskeller getroffen. Dort versprach Schröder, „den Bremern immer ein guter Partner zu sein“. Anlaß dafür war die Frage nach Bremens Zukunft und den Klagen zum Länderfinanzausgleich von Bayern und Baden-Württemberg. Weiter mochte Schröder nicht auf Bremen eingehen, da er als Kandidat keine voreiligen Versprechungen machen wolle. Das heißt – ein Kompliment machte er Bremen aber doch noch. Der 1. FC Kaiserslautern sei deutscher Fußballmeister geworden, „weil Otto Rehagel in Bremen gelernt hat“. Dies wollte Schröder dann aber nicht vollständig umsetzen. Neben einer großen Koalition gibt es für ihn auch noch andere Möglichkeiten.

Zur aktuellen Politik abseits von Bremen wählte Schröder das Beispiel der Finanzkrise in Rußland. „Die deutsch-russischen Kontakte sind nicht auf die Kontakte zweier älterer Herren zu reduzieren“, resümierte er zu Kohls vermeintlichem Wahlkampfvorteil. Zusätzlich äußerte sich Schröder erneut zu Nato-Einsätzen im Kosovo. Für ihn wird dies nur mit einem UNO-Mandat geschehen. Zum Abschluß der Runde versicherte Schröder noch einmal, daß es mit der SPD eine doppelte Staatsbürgerschaft geben werde. Dann war die Fragerunde beendet. Der Kandidat mußte nochmal... Jens Tittmann