Darf man mit dem Sarg ins Museum?

■ Zwischen Unverständnis und Ausbeutung: Arte-Abend über afrikanische Kunst (21.45 Uhr)

Picasso, Matisse, die deutschen Expressionisten um Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel: Zu Anfang dieses Jahrhunderts ließen sie sich alle von traditionellen afrikanischen Masken und Kultfiguren inspirieren. Heute dagegen ist das Interesse für zeitgenössische Kunst aus Afrika hierzulande noch relativ jung. Dabei zeigt heute ein ganzer Arte-Abend, daß sich die Beschäftigung damit lohnt.

Den Anfang macht die einstündige Dokumentation „Wege aus dem Abseits“ von Martina Dase. Darin versucht die Filmemacherin, die Lage bildender Künstler in den verschiedenen afrikanischen Ländern zu beschreiben. Um es vorwegzunehmen: Mehr als eine Andeutung ist bei dieser Collage nicht herausgekommen, was angesichts der Komplexität aber auch nicht weiter verwunderlich ist. Da ist einmal der Pariser Kunsthändler, der im Auftrag eines schwerreichen Sammlers in großem Stil einkauft und zwischen allen Stühlen sitzt. Den Europäern muß er erklären, warum er die afrikanische Kunst für Kunst hält, andere, wie der 45jährige Künstler Abdoulaye Konat aus Mali, werfen ihm vor, einen Ausverkauf zu betreiben und zu verhindern, daß vor Ort ein vielfältiges Kulturleben entsteht.

Die Technik, Aussage gegen Aussage zu stellen, erzeugt mitunter eine gewisse Komik: Wenn sich zuerst ein Kunstprofessor darüber erregt, daß die bunt bemalten figürlichen Särge des Ghanaers Kane Kwei plötzlich in den Museen landen, statt für Beerdigungen benutzt zu werden. Und dann der Hersteller dieser Särge zu Wort kommt, der seine Werke viel zu schön findet, um sie in der Erde verschwinden zu sehen. Am Ende bleibt es den ZuschauerInnen überlassen, welcher der beiden Positionen die größere Sympathie gebührt. Daneben porträtiert Dase in ihrem Film mit dem 1975 geborenen Südafrikaner Moshekwa Mokwena Langa einen der Shooting Stars der internationalen Kunstszene. Für Langa scheinen keine Grenzen und Schubladen mehr zu gelten, er reist rastlos zwischen den USA, Europa und Afrika hin und her, ein „global player“, umschwärmt und selbstbewußt.

Außer Dases Dokumentation bietet der Arte-Themenabend (um 22.50 Uhr) ein Porträt des Berliner Hauses der Kulturen der Welt, das sich seit Jahren um die Vermittlung außereuropäischer Kunst verdient macht, aber immer wieder bedroht ist. Darüber hinaus wird (um 23.25 Uhr) die Pariser Kunstzeitschrift Revue Noire vorgestellt, im weiteren Verlauf des Abends ist noch (um 23.55 Uhr) der Dokumentarfilm „Looobhy“ über Künstler und Lebenskünstler in Kamerun zu sehen. Gahit Fotanas Kurzfilm „Temedy“, der bereits mit großem Erfolg auf dem Panafrikanischen Filmfestival von Ouagadougou lief, beschließt (um 0.35 Uhr) den Abend. Ulrich Clewing