Es wird viel passier'n!

Superkongreßeventwochenende in Berlin: Gleich drei Veranstaltungen übten sich im präventiven Repräsentieren für die Hauptstadt von morgen. Weder bei BerlinBeta noch bei Ready to Ruck noch gar bei der Restlinken war klar zu bestimmen, ob das schon Future war oder noch Past

Hyperfortschrittliche Veranstaltungen in Raumleichen der DDR – in Berlin gehört das mittlerweile zum guten Ton. Es ist diese unnachahmliche Mischung aus postsozialistischer Tristesse, Sputnik-Futurismus und allmählichem Lockruf des Kapitals, die die Leute anzieht. Ein Duft, wie er an diesem Wochenende auch wieder über der Ostberliner Kongreßhalle lag, wo BerlinBeta, der Medienkongreß einer angeblich neuen Zeitrechnung („The future is in beta!“) über die Bühne ging.

Die Taktik: Präventives Repräsentieren für die Stadt von morgen. Wohlangezogene Referenten bewegten sich vorsichtig darauf zu, als wären sie Bonner Abgeordnete auf Abwegen. Irgendwas muß ja dran sein an der Vision eines Multimedia-Berlin, das sich aus Clubs und Kellern langsam auf den Overground zubewegt.

Ein bißchen Schmuddelkind darf's, soll's noch sein in Berlin. Auf dem den Kongreßteil einleitenden Podium zur Frage „Geld für Medien – Warum ist es so schwer zu beschaffen?“ verständigten sich Schlipsträger aus Banken, Management und anderen Existenzgründerinstituten darauf, daß junge Leute mit guten Ideen beim ersten Gespräch mit ihrer Bank weder Schlips noch Anzug tragen sollten. Schließlich gehe es – schulterklopf, schulterklopf – um die Menschen, die Visionen und erst in zweiter Linie ums Busineß. „Verständnis zu wecken“ für bislang gesellschaftlich wenig akzeptierte Selbständige, so lautete das Credo der finanzstarken Diskutierenden. Es wird heftig gebastelt am Investitionsklima – auch wenn nicht alle der anwesenden Existenzgründungsversucher von positiven Erfahrungen mit dem Aufschwung zu berichten wußten.

Tags darauf sprachen andere wichtige Menschen über Berlin – „aus persönlicher Sicht“. Berlin habe, so die wiederholte Schwurformel, ganz doll viel kreatives Potential. „Es wird viel passieren!“ – dieses Marienhof-Motto warfen sich mit wachsender Begeisterung Ex-Bausenator Volker Hassemer und der Pressesprecher des Senats für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Axel Wallrabenstein, gegenseitig an den Kopf. Und weil es in Seifenopern meist ein gutes Ende gibt, führte man, Ursache und Wirkung souverän vertauschend, BerlinBeta als bestes Beispiel für die Zukunft ins Feld. Berlin hat den Sexappeal der Zukunft! Da hat man es selbstredend nicht mehr nötig, jedem Abwanderer ins Umland nachzuweinen.

Dem kaum maskierten neoliberalen Geist des Konvents entkamen auch die traditionell auf Subversion abonnierten „jungen Zeitschriftenmacher“ nicht, die sich über „Innovation bei den Printmedien“ streiten durften. Beta-Hauptinitiator Marc Wohlrabe, hier anwesend in seiner Funktion als Chef des Flyer, erklärte den Königsweg zur Seriosität: Man arbeitet einfach nicht mehr mit der zahlungsmoralfreien Szene zusammen und dient sich gleichzeitig Geldgebern als Connaisseur der Berliner Clubkultur an.

Der Gründer der Monatszeitschrift für „elektronische Lebensaspekte“ De:Bug, Sascha Kösch, wehrte sich imagegerecht beleidigt gegen die Verhärtung der Diskussion auf Fragen des Anzeigenverkaufs und der Auflagenstärke. Auf den Vorwurf, die Texte seiner Zeitschrift seien oft nicht verständlich, erwiderte er sympathischerweise, daß er die Produkte des deutschen Musikjournalismus oft sehr gern weniger verstehen würde. Indem er sich aber naiv dazu bekannte, bei De:Bug keine Honorare zu zahlen, fiel er doch wieder auf die Erotik der Selbstausbeutung herein, aus der auch Wohlrabe sein Image zimmert.

Warum so viele neue Zeitschriften auf den Markt kommen müssen, um dann von noch neueren verdrängt zu werden, wußte keiner: „Wenn du was Neues entwickelst, stirbt dafür Altes ab. Das ist eben Evolution.“ Aufruhr im Publikum bloß einmal, als geraunt wurde, Marc Wohlrabe habe ein Pöstchen als Referent im Wirtschaftsministerium in Aussicht. Doch der bäumte sich sofort auf, schrie gegen die Trägheit der Parteibürokratie an und gegen den mangelnden Individualismus in der Politik. Was er halt immer sagt.

Und die Stunde der Clubs, die Macht der Nacht, der Exzeß etc. pp.? Auch die zum Rahmenprogramm von BerlinBeta degradierten, für die Abendunterhaltung zuständigen „Jugendfestspiele“ wirkten reichlich wohlrabifiziert. Wie in einer Schwimmhalle konnte man im realsozialistischen UFO am Alexanderplatz keine Runde drehen, ohne immer wieder denselben gelangweilten Gesichtern zu begegnen. Einsam und stumm standen die – in diesem Jahr als Berater in Sachen Know-how eingestiegenen – Chefs der Popkomm auf den Fluren herum wie Investeure, die es vor ihrer Zielgruppe gruselt. Nicht, daß es keine Zerstreuungsangebote gegeben hätte, im Gegenteil: Hülle und Fülle davon, von der „virtuellen Bar“ über Performances mit halbnackten Frauen bis hin zu Sexy Food und Beschallung an allen Ecken. Doch man empfand es bald auch als Erleichterung, daß genug Platz war, all dem aus dem Weg zu gehen.

Jugendliche unter 25 blieben gänzlich aus. In einer Diskussionsrunde über Clubkultur und Feminismus klopften sich Musikerinnen, Journalistinnen und Labelbetreiberinnen gegenseitig auf die Schulter und fanden sich gegenseitig und das, was sie machen, ganz toll. War das schon Future oder noch Past? Eine Frau aus dem Publikum räumte ein, daß Club Culture viel mit der Liebe zur Erfolglosigkeit zu tun habe. Dies hier ähnele aber doch wohl eher einer „Trau-Dich!-Therapiegruppe“. Als daraufhin die männliche Zustimmung nicht ausblieb – mangelnder weiblicher Ehrgeiz sei eben Veranlagung –, war das Hallo aber doch wieder groß, und Frauen beharrten für Frauen ganz autonom auf der Sexiness der Macht. Insofern paßte sogar diese Veranstaltung am Ende ganz gut zur Beta-Atmo: Junge Leute, aufgepaßt! Macht was los und sucht Euch Euer Venture-Kapital! Susanne Messmer

Den Begriff „Alt-68er“ gibt es nun schon seit über zwanzig Jahren. 30 Jahre nach 68 kamen nun die eher hedonistisch und subkulturell orientierten Helden um den Altkommunarden Rainer Langhans auf die Idee, in Berlin eine dreitägige Veranstaltung unter dem seltsamen Begriff „Ready to Ruck“ abzuhalten, auf der 68er ihren Erfahrungen mit den Helden späterer Generationen teilen wollten. Den von Roman Herzog geforderten „Ruck“ wollte man irgendwie auch mit auf den Weg bringen.

Das Scheitern hatte sich schon auf der Eingangsparty am Freitag angedeutet. Obgleich man mit Westbam, Dr. Motte und Monika Kruse Top-DJs der Technoszene verpflichtet hatte, kamen nur wenige, die mitrucken wollten. Manchmal fühlte man sich auf dem Ruck-Rave wie bei einer Schulparty, wo Lehrer und Schüler zusammen tanzen, was auch mit den für Technoparties eher ungeeigneten Räumlichkeiten im Haus der Kulturen der Welt zu tun haben mochte. Dann dachte ich an meinen Deutschlehrer, dessen sozusagen antiautoritäre Angebote von den Schülern eher verlacht wurden und der sich später dann das Leben nahm. Der technobegeisterte Schriftsteller Rainald Goetz meinte zwar, daß Langhans „gute Vibes“ hätte, dies Sich-selbst-Festlegen auf die eigene Biographie fand er allerdings „kaputt natürlich“ und „jetzt muß ich raufgehen, weil der Westbam gerade anfängt“.

Die Hauptveranstaltung, der „große Potlatsch“, der am Samstag abend im nur halb gefüllten Tempodromzelt den raffgierigen „Stau“ beseitigen sollte, der das hedonistische Fließen hemmt, ging dann völlig daneben. Etwa die Hälfte der angekündigten Gäste waren eh nicht gekommen. Die, die gekommen waren, verwirrten sich sehr auf dem Podium. Axel Silber, Kanzlerkandidat von Chance 2000, warb überzeugend für seine Sache. Rainer Langhans, den die „Depression“ des wg. Depression verhinderten Christoph (Schlingensief) mehr interessierte als die Arbeitslosen, weigerte sich, strukturierend einzugreifen. Autoritär wollte er nicht sein, auch wenn er später der Susanne, einer ehemaligen Kampfgenossin von Holger Meins, die jetzt bei einer Sufigemeinschaft ihr Glück gefunden hat, zustimmte, als sie sagte, man bräuchte auf seinen Wegen mehr „innere Führung“.

Eigentlich war es wie auf einer studentischen VV. Ab und an gingen Leute aufs Podium, die wirkten, als hätten sie seit Jahren mit niemandem mehr gesprochen, und forderten etwa, daß die Hausbesitzer ihren Mietern die Häuser schenken sollten. Ihnen folgten andere traurige Selbstdarsteller. Dr. Motte stand irgendwann auf und sagte: „Ihr habt schon soviel Politik in euch, daß ihr seid wie Schwämme.“ Genervt über das Bild, das man den Gegnern liefern würde, fragte er irgendwann provozierend, ob denn die Leute hier auch auf der (total supertollen) Hanfparade gewesen wären, die ein paar hundert Meter weiter gerade zu Ende ging. Daß Langhans dort gesprochen hatte, war ihm entgangen.

Total stoned und irgendwie auch recht lustig mit seiner dunklen Popsonnenbrille stürmte der Schauspieler Rolf Zacher das Podium und verschwand dann leider gleich wieder. Eine junge Frau bedankte sich bei den 68ern für das, was sie für einen getan hatten. Ex- RAFlerin Astrid Proll schaute recht genervt drein. Auf der Bühne wurde gebauchtanzt, und sympathisch-würdevoll aussehende Sufis sangen den längsten Namen Allahs, der etwa eine halbe Stunde lang ist und gut klingt. Der Achmed aus der Sufigemeinschaft war früher mal Haschrebell und redete freundlich-entspannt oft vom Herzen, aus dem die Worte kommen müßten. Der TV-Sender Phoenix brach irgendwann die Aufnahmen ab. Vor dem Zelt sagte eine Frau: „Ich bin jetzt über 40, und das ist die schlechteste Veranstaltung, die ich je gesehen habe.“

Komischerweise war es trotzdem ein gelungener Abend. Das offensichtliche Scheitern führte zu vielen interessanten Gesprächen am Rande. Ein Althippie, der früher in der UFA-Farik gearbeitet hatte, bot uns zum Beispiel einen Joint an und erzählte, daß die UFA-Fabrik ihre Anzeigen in der taz früher mit Hasch bezahlt hätte. Irgendwann während des netten Gesprächs fragte er, ob wir auch gehört hätten, daß Kohl eigentlich Cohn hieße und seinen Namen später geändert hätte. Das hätte er jedenfalls irgendwann mal gehört, sagte er so leicht abwartend, als wenn er jetzt darauf lauerte, daß wir ihn wegen Antisemitismus angreifen würden.

Am Sonntag dann, beim abschließenden „Frühstück mit Inhalt“, sagte Rainer Langhans: „Wir sind schrecklich schuldig geworden.“ Irgendwie schien ihm das Chaos aber doch gefallen zu haben, als müsse die totale Sprachlosigkeit erst mal total sichtbar sein, um überhaupt zum Sprechen zu kommen, was möglicherweise ja auch irgendwie stimmt. Ein netter 68er Hippie vom Lande war nicht so glücklich. Er sei mit seiner Tochter von weither gekommen. Sie hätten dies Motto, daß alle einander beschenken sollen, ernst genommen und hundert Spektralbrillen mitgenommen, die die Tochter am Vortag versucht hatte zu verschenken. Niemand hatte sich beschenken lassen wollen. Enttäuscht gingen sie beide.

Chris Karrer, der als Musiker der Münchner Psychedelic-Band Amon Düül einer der ersten deutschen Popstars war, meinte, man solle die Biographien der 68er im Internet veröffentlichen. Karrer sieht klasse aus – wenn er kifft und auch so. Früher fuhr er einen Jaguar; jetzt lebt er von der Stütze. So toll sei 68 doch gar nicht gewesen. Mit diesem ganzen „LSD- und Fickzwang“. Und unter den damaligen Bands sei das Verhältnis katastrophal gewesen. Musiker der konkurriereden Gruppe Can hätten in Barcelona zum Beispiel mal einen Kollegen vergiften wollen, weil Amon Düül Can an die Wand gespielt hatte. „Es war sehr schön, jeden hier zu sehen und zu hören“, meinte die Susanne am Ende. Wie's weitergeht – wer weiß das schon. Aber sehr nett war's doch, euch kennengelernt zu haben. Detlef Kuhlbrodt

Das Leben kann schön sein, keine Frage. Braucht man eigentlich nicht groß zu erwähnen. Also tun es die Veranstalter der Ausstellung „Baustop.Randstadt“ auch nicht. Schließlich gibt es Wichtigeres, als über Gemeinplätze zu reden. Zunächst einmal geht es darum, auch von links — was immer das heutzutage noch sein mag – Präsenz zu zeigen, sich Gehör zu verschaffen in der Kakophonie der Projektionen und Visionen, die einem in Berlin gegenwärtig aus allen Ecken dröhnend entgegenschallt.

Und sei es im exklusiven Rahmen, was dann schon wieder ein wenig paradox erscheint: Schließlich befinden wir uns an einem besonderen Ort, in einer Kunstgalerie. Man macht sich ehrlich Sorgen um unsere kleine Stadt. Und das ist gut so, selbst wenn dabei die ein oder andere Formulierung schon arg studentisch klingt, Gedankentiefe suggeriert, wo bloß ungelenker Satzbau ist. Da mögen die einen sich pausenlos massieren lassen, Purpfeifen rauchen und esomäßig die Wohlfühlpolitik propagieren, da können die anderen das Zeitalter des kreativen Jungunternehmers ausrufen, hier in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst geht es um nichts anderes als um die harten Fakten. „Baustop.Randstadt“, schreiben die Organisatoren, „setzt sich mit den sozialen wie räumlichen Veränderungen in Berlin auseinander. Das von einer Ausstellungsgruppe kollektiv erarbeitete Projekt versteht sich als argumentative Ausstellung zur sozialen Stadtentwicklung. Abweichungen von der zitierten Form einer Dokumentation – Erzählungen, Filme, Fiktives – erzeugen dabei Bedeutung.“

A propos Bedeutung: „Ausgangspunkt des Projekts war die Beobachtung, daß Konflikte um die Ausrichtung der Stadt auf gehobenen Konsum, spekulative Privatisierung von öffentlichem Grund, Abwicklung Ost oder Sicherheitswahn in der städtischen Politik gegenüber der Dringlichkeit von ,Sachzwängen‘ weggeschoben werden. Hierbei verfestigen sich soziale Spaltung, Nationalismus und Geschlechtergrenzen, während alternative Lebensformen und Praktiken nahezu hysterisch abgewertet werden.“ RAF ist Poesie dagegen. Jochen Becker, einer der „Baustop“-Macher, kann sich ein feines Lächeln nicht verkneifen: „Wir wollten keine ambivalente Ausstellung machen. Was Sie hier sehen, ist eine Hardcore- Dokumentation.“

Das sitzt – darüber hinaus paßt es prima zum Genius Loci. Hardcore ist angesagt, bereits seit langem: politisch, persönlich, musikalisch sowieso und überhaupt. Die Galerie der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst liegt in Kreuzberg 36, um genau zu sein in der Oranienstraße, dort, wo früher mal das Auge des Hurricans des Berliner Häuserkampfs war. Hier wird Establishment anders buchstabiert, als das im gängigen Sprachgebrauch sonst üblich ist. In dieser Gegend finden Autonome mit verbundenen Augen nach Hause, scheitern die Grünen regelmäßig an der Fünfzig-Prozent-Hürde. Immerhin: Inzwischen stellen die Alternativen den Kreuzberger Bürgermeister. Franz Schulz heißt er. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Eine Hardcore-Dokumentation sieht folgendermaßen aus: Der Ausstellungsraum der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst ist vollgestellt mit roh zusammengezimmerten, beidseitig bedruckten Stellwänden, dazwischen einige Fernsehgeräte, an einer Wand prangt über die gesamte Länge des Raums eine Wandzeichnung: ein Stadtpanorama, das ein wenig so aussieht wie eine Mischung aus Seyfried und Jenny Holzer. Punkt für Punkt werden die einzelnen Themen abgehandelt: „Eigentum und Familie“, „Ost/West und Nation“, „Bedrohungsszenarien“, „Images/Die Rolle der Kunst“. Einige der Texte auf den Schrifttafeln sind auf vietnamesisch, polnisch oder türkisch verfaßt. „Eine Geste“, erklärt Jochen Becker, „ein Angebot.“ Die deutsche Übersetzung steht auf beiliegenden DIN-A-4-Blättern.

Unter der Rubrik „außerdem“ ist außerdem aufgelistet: „Lebensbedingungen in der Illegalität, Asylunterkünfte, Arbeitsbegriff, Geschlechtsspezifik & Boardinghaus, ,Begrüßung‘ polnischer Wanderarbeiter, Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, städtisches Handeln, Peripherie, Security, Bio-Region, Abwicklung Ost, Meistererzählungen (die kleine Laterne), Casino Berlin, Bilderhölle, NS- Bauten und ,Berliner Republik‘“. Wem das alles ein bißchen viel auf einmal vorkommt, dem sei versichert, daß das „Baustop“-Ausstellungskollektiv ein im Grunde bescheidenes Anliegen verfolgt: „Thesen“ sollen „zur Diskussion gestellt“ werden. Man will Fragen aufwerfen, Fragen wie... „Nehmen wir beispielsweise den Begriff ,verdachtsunabhängige Kontrollen‘“, sagt Jochen Becker, „was ist denn das Kriterium für Kontrollen, wenn nicht der Verdacht?“ Das seien doch eindeutig die Anfänge von Ausländerhatz, moniert Becker, der sich in puncto Wirkung der Ausstellung im übrigen keinen allzu großen Illusionen hingibt: „Wir glauben nicht daran, direkt etwas verändern zu können.“

Was mit etwas Abstand betrachtet schade ist. Denn sie haben ja recht, die Leute, auch wenn sie sich manchmal etwas umständlich ausdrücken. Mit der Ausländerpolitik, die derzeit betrieben wird, kann man nicht zufrieden sein. Dasselbe gilt für die Sicherheits- und Drogenpolitik, für die Familienpolitik, das Bildungswesen, die Stadtentwicklung, die Stellung der Frau im Berufsleben und so weiter und so fort. Bei „Baustop.Randstadt“ werden offene Türen eingerannt – die trotzdem keiner außer der Restlinken so gerne mehr einrennen mag. Und dann schaut wieder kein Schwein. Sind die Verhältnisse nicht so? Macht das Fehlen von Macht auf die Dauer auch nicht klüger?

Eins jedenfalls scheint klar: Den Subjekten der Agitation steht nach wie vor kein echtes Objekt gegenüber. Die Ausstellung vermittelt in erster Linie dies: Die Masse der Menschen/Werktätigen/Zeitgenossen zeichnet sich dadurch aus, daß sie dumm ist und das seltsamerweise auch gerne bleiben würde. Im Gegensatz dazu gibt es einige wenige, die zum Glück den Durchblick haben. Das Blöde ist, daß man nach einem Besuch von „Baustop.Randstadt“ nicht mehr so genau weiß, ob man nun zu der einen oder zu der anderen Kategorie gehört. Ulrich Clewing